Industriekultur

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Köln/Saarbrücken: Dreiteiler „Die Stählerne Zeit“ kommt Anfang Mai ins Fernsehen

Vor gut 150 Jahren – so schreibt der WDR dazu – befand sich Deutschland in einem tiefgreifenden Wandel, der das Leben der Menschen grundlegend verändert. Die industrielle Revolution macht aus beschaulichen Dörfern bizarre Fabriklandschaften mit qualmenden Schloten und Wohnsiedlungen für das Heer der Arbeiter, die in die wachsenden Städte strömen. Handwerksarbeit wird verdrängt durch Fabrikware, die schneller und billiger produziert werden kann und oft sogar hochwertiger ist als traditionelle Handarbeit. Die Textilbranche durchlebt diesen Umbruch als erstes, die heimarbeitenden Weber arbeiten verzweifelt und vergeblich gegen die Spinn- und Webmaschinen der riesigen neuen Fabriken nach englischem Vorbild an.Und die werden da gebaut, wo viele Menschen auf einen Verdienst hoffen. Für Abertausende von Arbeiterfamilien reicht der Lohn für die zermürbende Schufterei in Textilfabriken, in Minen und an Hochöfen anfangs knapp zum Überleben. Männer, aber auch Frauen und Kinder stehen oft 14 Stunden am Tag an lärmenden Maschinen, deren unerbittlicher Takt ihr Leben bestimmt. Doch was bleibt ihnen übrig, wenn sie für sich und ihre Familien das Brot verdienen müssen?

Ihre Arbeitskraft ist das Kapital der Industriebarone, die den industriellen Umbruch hierzulande begeistert unterstützen und mit ihrer Initiative und ihrem Geld vorantreiben. Ihre Produkte aus Eisen und Stahl und die Errungenschaften der Technik verändern das Land, die Eisenbahn verlangt eine einheitliche Uhrzeit, die Monumente der ersten Weltausstellungen sind Ausdruck des Fortschrittsglaubens dieser Zeit.Textilfabrikanten, Stahlbarone und Zechenbesitzer bestimmen zunächst ziemlich ungestört und willkürlich die Regeln von Produktionsablauf, Arbeitszeit und Verdienst und regieren sogar ins Privatleben der von ihnen Abhängigen ein. Fügen müssen und sollen sich die Arbeiter. Doch die werden anfangen, für gerechten Lohn und verträgliche Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

Es ist die Basis für eine neue politische Bewegung, und mit Streiks und Protesten demonstrieren die Arbeiter ihr neues Selbstverständnis. Betriebskrankenhäuser, Sozialkassen und Werkswohnungen verbessern ihre Lage, eine neue Freizeitkultur entsteht.Am Ende ist aus dem zersplitterten Agrarstaat eine der wichtigsten Industrienationen der Welt geworden. Es wurden die Wurzeln für den Wohlstand geschaffen, von dem wir heute noch leben.Ein unglaublicher Wandel, der bis heute Spuren hinterlassen hat. Doch wer waren die Menschen, die den Wandel erlebten, erlitten und gestalteten? Was dachten und fühlten sie?

Die dreiteilige Reihe „Die Stählerne Zeit“ erzählt die Schicksale von sechs Menschen, deren Lebensläufe verbürgt sind. Sie lässt so die Bedrängnisse und Hoffnungen dieser Epoche wieder aufleben und verfolgt den Alltag und den Wandel des Industriezeitalter im Textilgewerbe, in der Stahlproduktion und im Bergwerk.

Mit neu entdeckten Dokumenten und Filmmaterialien, opulent gefilmten Industriedenkmälern und mit an Originalschauplätzen – darunter mehreren Standorten der Industriemuseen in NRW – gedrehten Szenen lässt die Dokumentationsreihe ihre Zuschauer die Umbrüche dieser Stählernen Zeit miterleben.

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Folge 1: Die Not der Weber

Hermann Enters, ein deutscher Auswanderer, der 1940 in Milwaukee starb, hat ein einmaliges Dokument hinterlassen: Briefe, in denen er seine Kindheit als Sohn eines Bandwirkers um 1850 im Bergischen Land schilderte. Die Region um das Wuppertal ist im frühen 19. Jahrhundert das Manchester Deutschlands: Überall werden Fabriken gebaut, Wasserräder errichtet, Dampfmaschinen aufgestellt. Zu den Wirtschaftspionieren gehört auch der streng protestantische Friedrich Engels (1796-1860), gleichnamiger Vater des späten Mitbegründers des Kommunismus. Er gründet 1838 eine Textilfabrik in Engelskirchen und wird – mit Hilfe von Kinderarbeit – reich. Doch sein Sohn wird sich gegen ihn auflehnen. Währenddessen erlebt Hermann Enters, wie sein Vater trotz härtester Arbeit die Familie nicht mehr ernähren kann, und er schließlich aus der Schule genommen und in eine Lehre verkauft wird.

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Folge 2: Im Reich des Stahlbarons

Kein deutscher Unternehmer des 19. Jahrhunderts war so umstritten wie der saarländische Stahlbaron Karl Ferdinand Stumm, Freiherr von Stumm-Halberg (1836-1901). Als 22jähriger übernimmt er ein kleines Stahlwerk und baut es zum größten privaten Unternehmen im Saarland aus. In ganz Deutschland berüchtigt ist sein Heiratsverbot, mit dem er seinen Arbeiter mit der Entlassung drohte, wenn sie ohne seine Einwilligung heiraten. Gleichzeitig war Stumm einer der ersten Unternehmer, die Hilfskassen für ihre Arbeiter einführten. Der Stahlbaron, Freund Kaiser Wilhelms II., sah sein System der „milden und der strengen Hand“ als Vorbild für das gesamte Reich. Bis heute ist in Neunkirchen das Schicksal eines Stummschen Arbeiters im Gedächtnis der „Hüttenmänner“, der ohne Erlaubnis Stumms geheiratet hatte und sich aus Verzweiflung über seine darauf folgende Entlassung erhängte.

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Folge 3: Der Stolz der Arbeiter

1889 erschüttert der erste große Streik das Deutsche Reich: Im Revier und anderswo legen sich Bergarbeiter aus Protest gegen die Willkür der Unternehmer die Arbeit nieder. Eine Streikdelegation wird sogar von Kaiser Wilhelm II. empfangen. Einer von ihnen ist August Siegel (1856-1936), ein Bergmann aus Dorstfeld, der am Beginn der Arbeiterbewegung im Ruhrgebiet eine wichtige und heute zu Unrecht vergessene Rolle spielt. Siegel, der kaum bekannte Erinnerungen hinterließ, kam wie viele aus Sachsen ins Ruhrgebiet und erlebte noch die Zeit, als ohne Maschinen die Kohle aus dem Flöz gehauen wurde. Nach dem Streik muss er Frau und Kinder verlassen und nach England fliehen. Gegner im großen Streik ist Emil Kirdorf (1847-1938), der den Bau der heute als Weltkulturerbe ausgezeichneten Zeche Zollverein initiiert. Er ist als angestellter Direktor der Gelsenkirchener Bergbau AG abhängig von den Tycoons des Ruhrgebiets, im Gegensatz zu den patriarchalischen Unternehmern jedoch ein schroff und streitlustig kämpfender Manager. Während Siegel Mitbegründer der Keimzelle der späteren IG Bergbau und Chemie wird, führt Kirdorfs kompromisslose Haltung ihn nach 1933 an die Seite Hitlers.

Übersicht:

Folge 1: DIE NOT DER WEBER, 1. Mai 2009, 18. 30 Uhr bis 19.15 Uhr (Buch Anne Roerkohl; Redaktion Gudrun Wolter (WDR), Marie-Elisabeth Denzer (SR); Regie Anne Roerkohl und Roland May)

Folge 2: DAS REICH DES STAHLBARONS, 1. Mai 2009, 19.15 Uhr bis 20.00 Uhr (Buch: Rüdiger Morsdorf; Redaktion Vera Meyer-Matheis und Marie-Elisabeth Denzer (SR); Regie: Anne Roerkohl, Roland May)

Folge 3: DER STOLZ DER ARBEITER, 3. Mai 2009, 13.45 Uhr bis 14.30 Uhr (Buch: Barbara Stupp; Redaktion: Gudrun Wolter (WDR), Marie-Elisabeth Denzer (SR); Regie: Anne Roerkohl, Roland May)

Kostuemaufn.450.jpgCo-Regisseur Roland May bei Aufnahme einer Spielszene

(Texte: WDR; Fotos: WDR/Resa Asarschahar)