Industriekultur

Magazin für Denkmalpflege, Landschaft, Sozial-, Umwelt- und Technikgeschichte

2.05 Irland

Inhaltsverzeichnis

Editorial

In China wird das Klopapier knapp, schreiben die Ruhr-Nachrichten. Der wachsende Verbrauch von Tissue-Papieren erfüllt die einheimischen Produzenten mit Sorge, weil sie mit der Produktion und dem Beschaffen der Rohstoffe nicht hinterher kommen. Allein in Schanghai werden pro Jahr 140.000 Tonnen Toiletten-Papier und Papiertaschentücher verbraucht. Deshalb werde bereits mit Ersatzstoffen experimentiert. Geschichte wiederholtsich zum Teil eben doch, wie ein Vergleich mit unseren Berichten im jüngstenHeft mit dem Schwerpunkt »Papier & Pappe« zeigt.

Apropos jüngstes Heft: Hier hat sich – wie ein Gusseisen-Fan sofort bemerkte – ein entscheidender Fehler eingeschlichen. Die 1805 eingeweihte Kanalbrücke bei Llanggollen in Wales ist nicht aus Stahl (dergenietet worden wäre!), sondern »aus wundervollem Gusseisen zusammengeschraubt«, wie man auf dem Foto sehen kann. Wir entschuldigen uns für dieses Versehen, bleiben aber gelassen!

Eine gewisse Gelassenheit gepaart mit nordischer Dickfälligkeit, Zähigkeit und unbeugsamer Zuversicht ist den Iren zu eigen,die im Laufe der Geschichte immer mal wieder vorne an waren und dann doch wiederweit zurückgeworfen wurden. Irland, die grüne Insel, das ist zunächst urwüchsige Landschaft. Das sind keltische Mythen und Mönche, die das Christentum verbreiteten. Das sind die Dubliners und James Joyce. Das sindWhisky und schwarzes Bier. Und nichts davon, mit einer Ausnahme, findet sich in diesem »Irland«-Heft. Auch andere für das Land typische Themen fehlen: Kartoffelfäule und Hungersnot in den schwarzen 1840er Jahren, der lange Kampfum Unabhängigkeit, der Nordirlandkonflikt …

Aber Industriekultur? In einem Land, dessen erstes »Exportgut« über Jahrzehnte Millionen Menschen waren, die ihr Glück in der Auswanderung suchten? In einem Land, das erst in jüngster Zeit als »keltischerTiger« einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, ist die Suche nachSpuren des industriellen Zeitalters scheinbar wenig erfolgversprechend. Aber esgibt sie, das beweist das vorliegende Heft – ohne Anspruch aufVollständigkeit. Dank der irischen Gelassenheit ist vieles in der Landschafteinfach ungenutzt stehen geblieben und wird inzwischen neu entdeckt, wie alteBergwerke, Kanäle oder Brücken. Das zwanghafte Verhalten des »Aufräumens«in der Landschaft ist den meisten Iren fremd – ein Glücksfall unter anderemfür Industriearchäologen.

Diese industriekulturelle Landschaft in Irland wird nunvermutlich erstmals in deutscher Sprache vorgestellt. Möglich ist dieserLänderschwerpunkt dank eines vor Jahren geknüpften Kontakts zu Ron Cox amTrinity College in Dublin. Er ließ sich voller Enthusiasmus auf das von mirangeregte und betreute Projekt ein, stellte die Verbindung zur IndustrialHeritage Associaton of Ireland her, kümmerte sich um Aufsätze und Fotos derKollegen im Land. Vielen Dank dafür!

Aber wir sind wohl alle etwas verrückt. Der aus Schottlandstammende Ewan MacColl schmiedete daraus einen in der industriekulturellen SzeneIrlands verbreiteten Folk-Song:

»I met my love by the gasworks wall

Dreamed a dream by the old canal

I kissed my love by the factory wall

Dirty old town, dirty old town.«

Olaf Schmidt-Rutsch und die Redaktion

Schwerpunkt
Klein, aber oho: Industriekultur auf der „grünen Insel“ / Bereits seit  Ende der 1950er Jahre etabliert sich die Industriearchäologie in Irland, S. 2-4
von: Colin Rynne
Kleine Industrien in Irland, S. 5
von: Barry O’Reilly
Der Royal Canal lebt wieder / Seit fast 200 Jahren verbinden zwei Kanäle den Shannon mit Dublin, S. 6-7
von: John Mc Keown, Ruth Delany
Erstes Großkraftwerk von Irland / Siemens baute am Shannon das Wasserkraftwerk Ardnacrusha, S. 8-9
von: Joachim Fischer
Ein Maler dokumentiert die Elektrifizierung Irlands: Sean Keating, S. 10
von: Brendan Delany
Bergbau in Irland – eine Spurensuche, S. 11-12
von: Des Cowman
Land der Steinbrücken / Gusseiserne Brücken in Irland sind rar, aber sehenswert, S. 13-14
von: Ronald C. Cox
Herausragendes Industriedenkmal: das Wasserwerk in Cork, S. 15
von: Colin Rynne
Zwei Dubliner Vororte bauten Irlands erstes Abwassersystem, S. 16
von: Mary Mc Mahon
Kam der erste D-Zug aus Irland? – Portlaw-Häuser im Ruhrgebiet, S. 17
von: Garry Miley, Olaf Schmidt-Rutsch
Flachs- und Getreidemühle in einem: die „New Mills“ in Donegal, S. 18
von: Vincent Conaghan
Deutsche Technik in irischen Mühlen: Maschinen der MIAG werden museal erhalten, S. 19
von: Norman Campion
Der letzte erhaltene holzbefeuerte Gasofen, S. 20
von: Jean Farrelly
Denkmal von nationaler Bedeutung? Die Jugendstil-Halle der Gasmaschinen-Zentrale Neunkirchen-Heinitz, S. 21-22
von: Delf Slotta
Erin-Netzwerk
Vom Leuchtgas zur „Flamme“ / Das irische Gaswerk-Museum „Flame!“ in Carrickfergus, S. 23
von: Fred Hamond
Die Adern der Frühindustrialisierung / Das National Waterways Museum in Gloucester, S. 24
von: Frieder Bluhm
Das Pulver, das die Welt veränderte / Die Royal Gundpowder Mills in Waltham Abbey, S. 25
von: Frieder Bluhm
Die Grenzen des „technisch Machbaren“ / Waterland Neeltje Jans am Oosterschelde-Sperrwerk, S. 26
von: Frieder Bluhm
Rubriken
Totaler Arbeitseinsatz / Zwangsarbeit in der deutschen Binnenschifffahrt während des Zweiten Weltkrieges, S. 31-32
von: Eckhard Schinkel
100 Jahre Mittellandkanal – ein irritierendes Jubiläum, S. 32
von: Eckhard Schinkel
Kohlenfieber in Preußens wildem Westen, S. 33
von: Olaf Schmidt-Rutsch
Ein beinahe übersehenes Industriedenkmal / Die „Wiederentdeckung“ der 1873 gegründeten Uhrenketten- und Bijouteriewarenfabrik Jakob Bengel in Idar-Oberstein, S. 34-35
von: Andreas Pecht
Mut zu Visionen / Helmut Bönnighausen, der langjährige Direktor des Westfälischen Industriemuseums, geht in den Ruhestand, S. 36-37
von: Thomas Parent
Industriekultur in den Regionen
Abschied von den Dora-Wagen, S. 38
von: Jan Gympel
Vom Ballon zur Luftbrücke, S. 38
von: Sven Bardua
Rettung in letzter Minute?, S. 38
von: Matthias Baxmann
Typischer Bahnhof der Berlin-Dresdner-Eisenbahn, S. 38-39
von: Sven Bardua
Abriss des alten Gaswerkes, S. 39
von: Thomas Janssen
Das Ende für den U-Bahn-Typ DT2, S. 39
von: Sven Bardua
Hochöfen demontiert, S. 40
von: Sven Bardua
75 Jahre Bergbaumuseum, S. 40
von: Sven Bardua
Dampfmaschine in voller Aktion, S. 40
von: Detlef Stender
Neues Bergwerk im Revier?, S. 40
von: Sven Bardua
Museumslandschaft bröckelt, S. 40
von: Alexander Kierdorf
Shopping statt Chemie, S. 40-41
von: Alexander Kierdorf
Sensenhammer neu im Programm, S. 41
von: Eva M. Kistemann
Glocken-Gasbehälter stillgelegt, S. 41
von: Jens Schaefer
Zukunftsort Göttelborn für alle offen, S. 41-42
von: Sven Bardua
Schöne Aussicht von der Bergehalde, S. 42
von: Sven Bardua
Völklingen-Luisenthal, S. 42
von: Karl-Heinz Janson
Wasserturm wird Kerzenzieherei, S. 42-43
von: Sven Bardua
Gaswerk von 1866 abgebrochen, S. 43
von: Sven Bardua
Teure Kohle, S. 43
von: Sven Bardua
Abbruch der Anlage De Vernejoul, S. 43
von: Karl-Heinz Janson
Wandbild von Greg Gawra, S. 43-44
von: Werner Schleser
Fördergerüst fällt, S. 44
von: Werner Schleser
Zeuws Maritiem Museum, S. 44
von: Eckhard Schinkel
Ein Herz für Brücken, S. 44
von: Sven Bardua
Schachtanlage abgebrochen, S. 45
von: Sven Bardua
Ende des Braunkohlen-Bergbaus in der Steiermark, S. 45
von: Edgar Bergstein
Wenig Hoffnung für Schokoladentempel, S. 45-46
von: Alexander Kierdorf
Bahnhofshalle wiedereröffnet, S. 46
von: Alexander Kierdorf
Warmer Abbruch?, S. 46
von: Alexander Kierdorf
Bodenseebahn, S. 46
von: Hans-Peter Bärtschi
Münzfabrik wird rekonstruiert, S. 46
von: Sven Bardua
Lesezeichen
Sie werden plaziert! Die Geschichte der Mitropa, S. 47
von: Sven Bardua
Der Rangierbahnhof Wustermark und die Eisenbahnsiedlung Elstal, S. 47
von: Sven Bardua
Volkwagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft. Volksprodukte im Dritten Reich: Vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft, S. 47
von: Christian Kleinschmidt
Das Rheinische Braunkohlenrevier 1877-1957, S. 47
von: Norbert Tempel
Der Yangtze. Chinas Lebensader., S. 47-48
von: Eckhard Schinkel
DVD-Video Die Industrielle Revolution, Großbritannien 1750-1850, S. 48
von: Axel Föhl
Ein Ende als Giftmüll-Deponie: Fast 100 Jahre wurde im Elsaß Kalisalz abgebaut, S. 27-29
von: Edgar Bergstein
Termine
Die historische Anzeige
Guinness – das »schwarze Gold« der grünen Insel

Die mit irischem Kapitalgegründeten Zechen Hibernia in Gelsenkirchen und Shamrock in Herne haben beiden Zeitgenossen großes Aufsehen erregt. Der Umstand, dass ihre Förderung nachkurzer Zeit die der meisten Konkurrenten bei weitem übertraf, veranlasste nicht nur den preußischen Bergbeamten Fritz Franz von Dücker 1859 zu der Frage, »wie es möglich ist, dass inmitten des berühmten Ruhrbassins eine so abnorme Leistung hervortreten kann«. Eine Erklärung bietet das Plakat der Guinness-Brauerei aus dem Jahr 1947, das auf eine andere irische Erfolgsgeschichte verweist.

Im Jahr 1759 erwarb Arthur Guinness eine wenig florierende Brauerei in St. James’ Gate, Dublin. Zu dieserZeit war der Einstieg in das Braugewerbe durchaus riskant, denn auf dem Land wurde hauptsächlich Whisky, Gin und selbstgebrannter Schnaps – Poteen genannt– getrunken. Das Bier hingegen war meist von schlechter Qualität. Arthur Guinness braute zunächst traditionelles Ale. In den 1770er Jahren kam mit dem »Porter« ein neues Bier nach Dublin, das den Namen seiner Beliebtheit bei den Londoner Lastenträgern verdankte und wegen der dafür verwendeten gerösteten Gerste eine typische dunkle Farbe hatte. Guiness gelang es, dieses Bier mit so großem Erfolg in St. James’ Gate zu brauen, dass er bald nicht nur den irischen, sondern auch den Londoner Markt beliefern konnte. Seit 1799 wurde bei Guinness nur noch das dunkle »Stout« gebraut.

1929 startete die Brauerei eine vielbeachtete Werbekampagne, die bis 1969 von der Agentur S. H. Benson realisiert wurde. Für die künstlerische Umsetzung sorgte der Maler John Gilroy (1898–1985) auf sehr humorvolle Weise. Seine Kampagnen »Guinness for Strength«und »My Goodness, my Guinness« der 1930er und 1940er Jahre waren soerfolgreich, dass später – wie im vorliegenden Beispiel – sogar auf die Nennung des Firmennamens verzichtet werden konnte. Insgesamt gestaltete Gilroy, der unabhängig von der Werbung auch künstlerisch eigenständig arbeitete, mehrals hundert Werbeanzeigen und fünfzig Plakate für die irische Brauerei. Viele seiner Arbeiten können heute im sehenswerten Firmenmuseum in Dublin, dem Guinness Storehouse (im Internet: www.guinnessstorehouse.com), angeschaut werden. Guinness gehört heute zu den größten Brauereikonzernen der Welt. Das Bier wird in 51 Ländern gebraut und in 150 Ländern verkauft, die jährliche Produktion beträgt mehr als eine Million Hektoliter.

„My Goodness – that’s the stuff“. Guinness – das „schwarze Gold“ der grünen Insel
von: Olaf Schmidt-Rutsch