Industriekultur

Magazin für Denkmalpflege, Landschaft, Sozial-, Umwelt- und Technikgeschichte

Dortmund: Tagung: „Welt unter Tage. Neue Perspektiven für die Bergbaukultur am Ende des Bergbaus“ am 23. u. 24. Mai 2014

­„Das Unterirdische ist immer ein Raum der Fantasie gewesen, ein Imaginarium, und zugleich eine Sphäre technischer Aneignung“ (Hartmut Böhme). Auf die Welt unter Tage trifft dies in besonderem Maße zu. Als Schatzkammer in dunkler Tiefe, die man nur unter Lebensgefahr ausrauben kann, regt sie die Vorstellungskraft an und löst mit Faszination und Begierde, Schauder und Angst die unterschiedlichsten Gefühle aus…

­Gleichzeitig ist die Welt unter Tage ein mittlerweile entzauberter Ort der Technik und der Wissenschaft, wo Bergleute mit Körperkraft und Werkzeugen gegen die Elemente kämpfen und Ingenieure die Natur mit den Mitteln der Wissenschaft zu beherrschen­ suchen. Diese doppelte Wahrnehmung der Welt unter Tage als einerseits Vorstellungs-, andererseits Handlungsraum findet ihre Fortsetzung in einer zweifachen Geschlechterzuschreibung: Als Handlungsraum gilt die Welt unter Tage als eine Welt der Männer; als Vorstellungsraum wird sie mit weiblichen Begriffen umschrieben: man kämpft hier gegen die Natur und dringt in den Schoß der (Mutter) Erde ein, um sie ihrer Schätze zu berauben. Mit Wahrnehmungen und Handlungsräumen setzt sich auch die Tagung ­auseinander: Mittels eines Blicks „von unten“ und auf das Unterschwellige, mit Beiträgen aus unterschiedlichen Disziplinen und in einer tra­nsnationalen Erweiterung des bislang eher regionalen oder nationalen Blicks will sie die Kulturgeschichte des Bergbaus methodisch neu beleuchten, Impulse geben für eine inhaltliche Weiterentwicklung und potentielle Quellen aus Kunst, Literatur, Film und Popularkultur erschließen. Welche Topoi und Raumvorstellungen, Motive, Metaphern und Mythen, Semantiken und Narrative oder Genderprägungen beherrschen die Darstellung und Deutung der „(Arbeits-) Welt unter Tage“? Woher kommen sie? Welchen Zweck sollten sie erfüllen? Wie wurden und werden sie rezipiert und interpretiert? Was wird tradiert, was wann neu erfunden, was „erklärt“, was verschwiegen? Welche spezifischen Erinnerungskulturen kommen in den Repräsentationen zum Ausdruck oder wurden durch sie konstruiert? Interdisziplinär angelegte Sektionen beschäftigen sich mit Bergbau-Darstellungen in Literatur, Film und Kunst und den Erinnerungen von Bergleuten, mit Bergbau-Metaphern innerhalb und außerhalb des Bergbaus, mit dem Arbeitsbegriff in unterschiedlichen Ländern und Zeiten, mit Geschlechterbeziehungen und –zuschreibungen in Montanregionen, mit den Narrativen der Medizinalberichte, des Comics, der Volks- und der Popkultur.

Programm 23. Mai 2014

8.30 Anmeldung

09.00-09.30 Begrüßung, Grußworte

09.30-10.00 Einführung Dagmar Kift (LWL-Industriemuseum)

10.00-11.00 Impulse Hartmut Böhme (Humboldt-Universität zu Berlin): Unterwelten – Topographien des „unüberschaubaren seelischen Höhlensystems“
Jürgen Kocka (Freie Universität Berlin): Ideen der Arbeit im Wandel

11.00-11.30 Kaffeepause

11.30-13.00 Sektion 1: Bergbau-Darstellungen

Olge Dommer (LWL-Industriemuseum): Bildende Kunst

Stefan Przigoda (Deutsches Bergbau-Museum Bochum): Industriefilm

Dirk Hallenberger(Universität Duisburg-Essen): Ruhrgebietsliteratur

13.00-14.00 Mittagessen

14.00-15.30 Sektion 2: Bergbau-Metaphern

Rolf Parr (Universität Duisburg-Essen): Die Stuttgarter Künstlergesellschaft „Das Bergwerk“ (1840er/60er Jahre)

Ute Gerhard (TU Dortmund): Phantasmen des geschlossenen Raums um 1900

Vanessa Ferrari (Scuola Normale Superiore/LMU München): Dichter der Grube. Bergbaudichtung im NS-Staat

15.30-16.00 Kaffeepause

16.00-17.30 Sektion 3: Arbeit

Thorsten Unger (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg): Dimensionen des Arbeitsbegriffs in der Romantik

Karen Rauh: Das Bergwerk als literarischer Ort in den Texten von Wolfgang Hilbig, Franz Fühmann und Werner Bräunig

Wilfried Kruse (Sozialforschungsstelle Dortmund): Arbeit, Bewegung und Literatur im deutsch-französischen Vergleich

Abendprogramm

17.45-19.15 Führungen: Museum Zeche Zollern, Fritz-Hüser-Institut, Ausstellung „Über Unterwelten“

19.15-20.00 Abendessen

20.15-20.30 Vorführung des Eidophysikons

24. Mai 2014

9.00-10.30 Sektion 4: Unterwelten

Lars Bluma (Deutsches Bergbau-Museum Bochum): Unterweltsemantiken. Medizinalberichte der Knappschaft

Sylvia Kesper-Biermann (Universität zu Köln): Bergbau in Comic und Spiel

Ingo Landwehr (Berliner Unterwelten e.V.): Filmreif – Raubbau und Bankraub

10.30-11.00 Kaffeepause

11.00-13.00 Sektion 5: Männer und Frauen

Thomas Welskopp (Universität Bielefeld): Geschlechterbeziehungen in deutschen und nord-amerikanischen Montanregionen

Chris Wrigley (University of Nottingham): Women and gender in British coalmining

Walter Fähnders (Universität Osnabrück): Die Bergarbeiterstücke von Lu Märten und Anna Gmeyner

Sonja Wilk (Schlesisches Museum Kattowitz, Polen): Die Frauen der bergmännische Laienkünstler in Polen: Musen und Partnerinnen

13.00-14.00 Mittagessen

14.00-15.30 Sektion 6: Erinnerungen

Johannes Großewinkelmann (Weltkulturerbe Erzbergwerk Rammelsberg): „Ich denke gerne an die Zeit zurück!“ – Erinnerungsobjekte in privaten Nachlässen ehemaliger Bergleute

Mirjam Gnezda Bogataj und Marija Terpin Mlinar (Stadtmuseum Idrija, Slowenien): Beliefs, myths, superstitions and narratives of Idrija mercury miners

15.30-16.00 Abschlussdiskussion

Stefan Berger (Ruhr-Universität Bochum)

Anmeldung per Online-Formular hier

Ort: LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Grubenweg 5, 44388 Dortmund Veranstalter: LWL-Industriemuseum, Referat Wissenschaft und Vermittlung (Dortmund), Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt (Dortmund), Haus der Geschichte des Ruhrgebiets (Bochum). Die Tagung wird gefördert durch die Fritz Hüser-Gesellschaft e.V. und das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen.