Archiv für den Monat: Oktober 2008

Ochtrup: Der größte Schandfleck der Stadt?

Das 1893 fertiggestellte Verwaltungsgebäude der Gebr. Laurenz mit seiner aufwendigen Neorenaissance-Fassade dokumentiert die einstige Bedeutung der Textilindustrie in Stadt und Region. Nach Zwischennutzungen steht das Gebäude im Eigentum der Stadt seit Jahren leer. Nach Angaben der Kommune ist der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf so umfangreich, dass eine Herrichtung für eigene Belange zu teuer sei.

Ausserdem wird massiv argumentiert, dass im Gegensatz zur prunkvollen Fassade der Bau selbst nur wenige historische Elemente, vor allem den ehemaligen Konferenzsaal des Unternehmens, enthalte. Deshalb werde von Stadt und einem Investor – dem Betreiber des benachbarten EOC – Euregio Outlet Center – die Aufgabe des Denkmalschutzes und der Abbruch betrieben. Die Stadt möchte die Fassade – für deren Sanierung allein Kosten von 2 Mio Euro angegeben werden – als prägenden Teil des Stadtbildes erhalten.

Das Westfälische Amt für Denkmalpflege hat in einer ersten Stellungnahme Ende September  die Streichung des Gebäudes aus der Denkmalliste strikt abgelehnt (Info hier).

Das EOC befindet sich auf dem früheren Fabrikgelände der Gebr. Laurenz und nutzt den 1942 von dem bekannten Kölner Kirchenbaumeister Dominikus Böhm errichteten „Rundbau“ des Unternehmens, ein Highlight der Vorkriegs-Moderne in Nordrhein-Westfalen. Nach eigenen Angaben möchte EOC-Investor Dankbar im Januar 2009 mit der Erweiterung der Verkaufsfläche von bisher 3500 auf 11500 qm beginnen.

Presseberichte vom

10.9.2008 (Westfäl. Nachrichten)

12.9.2008 (Ahlener Zeitung)

11.9.2008 (westline.de)

 

Eintrag in der Datenbank baukunst-nrw

(Foto: O. Mahlstedt / LWL-Medienzentrum für Westfalen)

 

Bochum: Grundsteinlegung für den „Schwarzen Diamanten“

In einem Internationalen Architekturwettbewerb hatte sich der Entwurf des Amsterdamer Büros Benthem & Crouwel durchgesetzt. Der Erweiterungsbau soll das Thema Bergbau aufnehmen: Gänge, Stollen und Rampen sollen das Haus wie ein großes Schnittmodell des Bergbaus wirken lassen. Benthem & Crouwel sind in den Niederlanden u.a. durch Museumerweiterungen und -neubauten in der Tradition der Klassischen Moderne bekannt geworden.

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Das räumliche Konzept ist auch außen am Gebäude ablesbar: Das Stollensystem ist komplett verglast und gibt so den Blick frei auf die farblich dem Feuer nachempfundene Beschichtung von Boden, Wand und Decke. Der Kubus erhält eine dunkle Putzfassade mit Graphiteinstreuungen, welche durch die Sonne reflektiert werden.

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Durch zwei Brückenkonstruktionen wird der Schwarze Diamant mit dem Museum verbunden. Der dreigeschossige Neubau umfasst 1.800 qm Fläche (davon 800 qm Ausstellungsfläche) und bildet eine 17 Meter hohe Raumkante zur Schillerstaße. Der Bau soll bis November 2009 fertiggestellt sein; die Gesamtkosten belaufen sich auf rund fünf Millionen Euro.

Neben Sonderausstellungen soll der Bau die Sammlung zur Bergbau-Schutzpatronin „Heilige Barbara“ aufnehmen.

Ein aktueller Blick auf den Bauplatz des Erweiterungsbaus hier.

(Bild- und Textquellen: Pressemitteilungen; Architekten)

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Gummersbach: Bundespräsident musste auf Besuch des Steinmüller-Geländes verzichten

Weil die Spürhunde der Sicherheitsbegleiter des Präsidenten bei der Kameratasche eines Pressefotografen – wohl irrtümlich – auf Sprengstoff anschlugen, musste nach Presseberichten die Visite des Bundespräsidenden im Bergischen auf die Handballer und das Rathaus von Gummersbach beschränkt werden.

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Dabei ist das Entwicklungprojekt der Stadt und des Landes NRW im Rahmen der Regionale der Hoffnungsträger der bergischen Industriestadt. Auf dem vom Stadtzentrum  – und einer Eisenbahnstrecke – umschlossenen ehemaligen Areal des Kesselbauunternehmens Steinmüller sollen in den nächsten Jahren jene neuen Institutionen und Betriebe Platz finden, die den Wegfall des traditionsreichen, 1855 als Papierfabrik gegründeten, in den 1870er Jahren zum Kesselbau übergegangenen und 2002 aufgegebenen Betriebes wettmachen und den Wohlstand für die Zukunft sichern sollen.

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Während auf der – zum großen Teil freigeräumten und neu erschlossenen – Brache bis jetzt vor allem ein Tochter-Campus der Fachhochschule Köln entstand, konzentrierten sich die Bemühungen der Regionale bisher vor allem auf die Anbindung des ehemaligen Eingangsbereiches des Unternehmens – und der in den verschiedenen Verwaltungsgebäuden  untergebrachten Einrichtungen – an die Außenwelt. Die Erschließung führt dabei durch mehrere Öffnungen im Eisenbahnviadukt.

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Im Juni 2008 beschloß die Stadt Gummersbach die Ausschreibung eines Einkaufszentrums auf 30.000 qm Gelände mit einer Verkaufsfläche von 15.000 qm.

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Im begrünten Innenbereich finden sich auch zwei „Industriedenkmale“ – zum  einen der Nachbau eines Steinmüller-Kessels, zum anderen der originale dreirädrige Dampfschlepper, der Anfang der 1870er Jahre aus England importiert wurde, um – vor dem Bau der Eisenbahn – die Erzeugnisse des Unternehmens über Land zu transportieren.

Regionale-Projekt

Regionale-Meldung

Pressemeldung

Zur Geschichte der Firma L.C. Steinmüller (wikipedia)

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Siegen-Geisweid: Abbruch des Verwaltungs-Hochhauses der ehem. „Stahlwerke Südwestfalen AG“

Anfang 1957 wurde das zwölfstöckige Verwaltungsgebäude der damaligen „Stahlwerke Südwestfalen“ fertiggestellt. Entworfen hatten es die Siegener Architekten Köhne & Reichert; es war der erste derartige Bau in Südwestfalen überhaupt und markierte den Höhepunkt einer letzten Wirtschaftsblüte nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Die Edelstahlwerke Südwestfalen gingen aus den 1846 an der Stelle des „Geisweider Hammers“ gegründeten  „Geisweider Eisenwerken“ hervor, die zunächst Puddelstahl erzeugten. 1874 wurde hier (nach der Charlottenhütte in Niederschelden 1864) einer der ersten Kokshochöfen des Siegerlandes errichtet; 1879 erfolgte die Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft. 1890 entstanden ebenfalls hier die ersten Siemens-Martin-Öfen der Region. Über Thyssen und Klöckner erfolgte 1930 die Eingliederung in die Vereinigten Stahlwerke; aus der Entflechtung ging über Zwischenschritte 1951 die „Stahlwerke Südwestfalen AG“ hervor, deren „erfolgreiche Umstrukturierung zu einem der größten deutschen Edelstahl-Unternehmen“ der neue Hauptsitz, das Geisweider Verwaltungshochhaus von 1957, dokumentierte.

1977 begann eine Zusammenarbeit mit den Fried. Krupp Hüttenwerken in Bochum; zeitweise Eingliederung in die Krupp Stahl AG endete Mitte 1994 durch die Gründung der Krupp Edelstahlprofile AG mit weiteren Werken in Niederschelden, Hagen und Werdohl. Daraus entstanden später die Edelstahlwerke Südwestfalen.Hatte der Erzbergbau im Siegerland bereits in den 1930er Jahren im Rahmen der NS-Autarkiepolitik und der Kriegswirtschaft nochmals einen Aufschwung erlebt, war das jahrtausendealte Hüttenrevier Siegerland im Zuge des „Wirtschaftswunders“ noch einmal gefragt,bevor gravierende Standortnachteile wie fehlende preiswerte Transportmöglichkeiten und Energiequellen in den frühen 1960er Jahren das vergleichsweise schnelle Aus für Bergwerke und Eisenhütten in der Region bedeuteten – dokumentiert auch in den frühen Zeichnungen und Fotos von Bernd und Hilla Becher. Es überlebten vor allem einige kleine, aber weltweit  führende Maschinenbau- und Gießereibetriebe.

Die Edelstahlwerke Südwestfalen wurden 2007 durch die Schmolz & Bickenbach AG mit weiteren Standorten in u.a. Witten und Krefeld zur den „Deutschen Edelstahlwerken“ zusammengefasst. Das Unternehmen profitiert vom weltweiten Stahlboom, was sich auch auf den auch den Standort Geisweid auswirkt.

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Für das repräsentative Verwaltungsgebäude besteht allerdings kein Bedarf mehr; auf dem Firmengelände wurden neue, zeitgemäße Büroflächen geschaffen. Unvertretbar hohe Kosten für den zu erneuernden Brandschutz in dem auch im Innern repräsentativ ausgestatteten Hochhaus wurden ebenfalls als Grund für die Aufgabe genannt. Auch eine rentable Nachnutzung war nicht wahrscheinlich. Inzwischen wurde das seit Jahren leerstehende Gebäude nach Pressemeldungen aus der Denkmalliste gestrichen.

Quellen:

Forum von lostplaces.de

Wikipedia

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Bremen: Kaffee-HAG-Werk und Kaba-Produktionsgebäude werden saniert und umgenutzt

Die Kaffee-HAG-Fabrik wurde 1906/07 als Eisenbetonbau von dem Bremer Architekten Hugo Wagner für Ludwig Roselius errichtet. Sie ist ein wichtiges Dokument für die Reformbestrebungen im Fabrikbau in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschland. Die Kaffee-HAG-Fabrik fand damals enorme Beachtung als vorbildliches Beispiel eines modernen, sich von den Fesseln historistischer Dekorationsarchitektur lösenden Industriebaus. Die programmatischen, 1910 gegründete Zeitschrift "Der Industriebau" stellte das Unternehmen nicht nur ausführlich vor, sondern nahm seine Silhouette auch – zusammen mit dem Erlwein-Gasbehälter in Dresden-Reick – als Symbol für den modernen Industriebau in sein Signet auf.

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ausgeräumtes Kesselhaus

Die Eigentümlichkeit der Anlage besteht nach Expertenansicht darin, dass ein radikaler Funktionalismus im Sinne der Neuen Sachlichkeit noch nicht realisiert ist: Vielmehr führen Einflüsse des Heimatstils, des englischen Landhausbaus und der klassizisierenden "Um-1800"-Richtung zu einer malerischen Bewegtheit der Silhouetten. Bei den frühen Erweiterungen der 1910er und 20er Jahre wurde das Wagnersche Fassadensystems fortgeführt; das Ensemble an der Hagstraße wirkt als zusammengehörige Einheit.

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"Die Kaffee-HAG-Fabrik ist zweifellos ein hochrangiges Denkmal. Künstlerische, architektur- und industriegeschichtliche sowie kulturgeschichtliche Aspekte fordern geradezu die Eintragung in die Denkmalliste. Durch den Erhalt markanter historischer Bauten und ihre Kennzeichnung als erhaltenswerte Kulturdenkmäler steigt die Attraktivität der erweiterten Überseestadt deutlich an", erklärte Landesdenkmalpfleger Professor Georg Skalecki.

Schon vor Jahren wurde – angesichts drohender Verstümmelung – in einer eigenen Publikation auf die herausragende Bedeutung des Kaffee-HAG-Werkes für die Entwicklung der modernen Idnustriearchitektur hingewiesen. Nun endlich erfolgte – im Zusammenhang mit geplanten Sanierungs- und  Umbaumaßnahmen – der Eintrag in die Denkmalliste (Info hier).

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Der britische Eigentümer will durch den Berliner Projektentwickler „Sirius Facilities" den Gebäudekomplex aus Kaffee-HAG- und Kaba-Fabrik (ehemals Geraer Ölmühle), einem klassischen Sichtziegel-Industriebau der Gründerzeit – in einen lebendigen, hochwertigen „Businesspark“ umnutzen. Mit der Planung beauftragt sind die Architekten Schulze Pampus aus Bremen. Im Rahmen einer Besichtigung der Arbeitsgruppe Industriedenkmalpflege der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger wurden Konzept und Vorgehensweise erläutert. Unter dem Stichwort „new rawness“ sollen zunächst Bausubstanz und Fassaden saniert werden; der Innenausbau richte sich nach den Bedürfnissen der Nutzer oder flexiblen Standards.

Zur Information des Betreibers hier

Literaturhinweis:
100 Jahre Kaffee HAG : die Geschichte einer Marke / hrsg. von Kraft Foods Deutschland
Kern, Bärbel [Hrsg.] u.a.
Bremen : Ed. Temmen, 2006, 264 S, ISBN: 3-86108-082-6

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