Archiv für den Monat: April 2008

Dortmund: 6. Montantrödelmarkt auf der Kokerei Hansa

Macht aber nichts, denn an diesem besonderen Tag gibt es unzählige Spezialisten auf der Kokerei Hansa: Ehemalige Kumpel und Sammler geben sich auf dem Trödelmarkt die Klinke in die Hand und können all diese Fragen aus erster Hand beantworten. Vielleicht gibt es ja auch noch die ein oder andere passende Geschichte dazu! Ob Bücher, Arschleder oder Schutzmasken, angeboten wird hier fast alles rund um das Thema Kohle, Koks und Stahl.

Zwischen 11:00 Uhr und 17:00 Uhr können Besucher und Anbieter ins Geschäft und ins Gespräch kommen, Platz dafür bieten die Kompressorenhalle und die Waschkaue der Kokerei Hansa genug, so dass selbst bei schlechtem Wetter den ganzen Tag lang nach Herzenslust getrödelt, getratscht, getauscht und gekauft werden kann. Natürlich ist auch für das leibliche Wohl gesorgt, mit Gegrilltem im Biergarten und Kuchen und Kaffee in der ehemaligen Kantine ist für jeden etwas dabei.  

Donnerstag, 1. Mai 2008, 11.00 – 17.00 Uhr
Kokerei Hansa
Emscherallee 11, 44369 Dortmund-Huckarde

www.montantroedelmarkt.de 

 

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Thomas Dempwolf: Die biologische Kläranlage auf dem Rangierbahnhof Wustermark

Fast 90 Jahre lang versah die Anlage ihren Dienst in ursprünglicher Anordnung und Technik. Stillgelegt wurde sie erst im Jahr 2000. Die historische Klärtechnik untersuchte ein Seminar von Studentinnen und Studenten des Studienganges Restaurierung von technischem Kulturgut der FHTW-Berlin im Wintersemester 2005/2006. Der Bestand wurde aufgenommen, der Zustand untersucht, in Quellen der Technikgeschichte geforscht, ehemalige Beschäftigte interviewt und erste Gedanken über eine mögliche Form von Erhalt und Präsentation entwickelt.

Die Kläranlage befindet sich am äußersten westlichen Rand des 3,4 Kilometer langen Bahnarreals. Die in den historischen Bahnhofsplänen dargestellten Einrichtungen sind weitgehend erhalten: Öl- und Fettabscheider, Rechen, Sandfänge, Pumpenhaus, zwei ´Kremer-Brunnen´, in denen die festen Bestandteile abgesondert wurden, zwei Schlammbecken zu deren Trocknung, drei runde Tropfkörper aus Schlacke, in denen die flüssigen Bestandteile biologisch gereinigt wurden und zwei Nachklärbecken. Hatte das Wasser diese letzte Station passiert galt es als sauber und wurde in den Wassergraben des umgebenden Luchs gepumpt.

Diese Anlage wurde stillgelegt, aber nicht beräumt, es sieht aus als seien die Mitarbeiter einfach nicht mehr zur Arbeit gekommen. In den Hochbrunnen steht Abwasser, Öl- und Fettabscheider, Sandfang und Trockenbecken sind mit nicht geklärter Substanz gefüllt. Während die Bausubstanz noch vorhanden ist, wurden die leicht entfernbaren und einträglichen Bestandteile bereits entwendet. Zum Beispiel die Technik des achteckigen Pumpenhauses in Pavillonbauweise. Hier befindet sich der 7 Meter tiefe Sammelbrunnen. Er wurde von drei Kreiselpumpen und später zusätzlich von einer Tauchpumpe geleert. Bei Normalwasser schaltete sich ungefähr jede viertel Stunde die erste Pumpe ein. Alle Pumpen wurden durch Schwimmer im Sammelbrunnen gesteuert. Die vierte Pumpe schaltete sicherst ein, wenn ein Überlaufen des Brunnens nahe war. Etliche Male sind die Pumpen überflutet worden, heißt es in Berichten ehemaliger Beschäftigter, so dass sie demontiert und über Wochen getrocknet werden mussten. Gestohlen wurden auch die gusseisernen Spindeltreppen, über die man auf die ´Kremer-Brunnen´ gelangen konnte.

Diese zylindrische Hochbrunnen sind aus Beton gegossen und mit Klinkerbausteinen verkleidet. Nach oben sind sie offen. In der Mitte des Beckens sitzt ein Zylinder aus Beton, mit Rinnen, Röhren und Überläufen in verschiedenen Höhen. Über einem mit Flüssigkeit gefüllten und von Algen überwucherten Becken verläuft eine Arbeitsplattform aus Holz und Geländern aus Stahl.

Nach Angaben ehemaliger Beschäftigter1 befindet sich im unteren Teil der Klärbrunnen der Faulraum, in dem die Feststoffe ausfaulen. In Abständen wurde der Klärschlamm in die Trockenbeete, welche mit einem Kiesbett zur Drainage versehen waren, gefördert. Hier trocknete der Schlamm wetterbedingt mindestens 1 Woche und wurde erst nach vollständiger Durchtrocknung zusammengeschoben und in Waggons geladen.

Das von den gröbsten Verunreinigungen vorgeklärte Wasser wurde über Drehsprinkler auf die Tropfkörper aus Hochofengestein verrieselt. Erhalten sind drei von vier Tropfkörpern mit den Drehsprinklern aus Gusseisen, kunstvoll aufgeschichteter Schlacke nur lose gehalten von einem Gurt.

Die Umgebung

Die Notwendigkeit zur Errichtung einer Kläranlage wird an den benachbarten technischen Einrichtungen des Verschiebebahnhofs deutlich. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich die Entseuchungsanlage, die Wagenwäsche, wo früher die Eisenbahnwaggons der Viehtransporte für die Berliner Schlachthöfe gereinigt und später die Fett- und Ölrückstände der Kesselwagen entsorgt wurden. Der benötigte Dampf, bzw. das heiße Wasser, wurden im dazugehörigen Kesselhaus erzeugt. Das Abwasser floss über leichtes Gefälle in Rinnen rechts und links der Gleise und dann der Kläranlage zu. Aus der anderen Richtung wurden die Abwässer des Bahnbetriebswerkes und aus den Häusern der Lokführer und leitenden Angestellten der benachbarten Eisenbahnersiedlung Elstal zugeführt. In der Kläranlage und in der angrenzenden Wagenwäsche arbeiteten größtenteils ungelernte Arbeitskräfte.

Die Geschichte der Anlage

Die ersten Pläne für eine biologische Kläranlage in Wustermark mit Kremer-Brunnen stammen aus der Bauzeit des Verschiebebahnhofs im Jahre 1908. Doch als der Bahnhof am 1. Mai 1909 in Betrieb ging, war der Plan noch nicht verwirklicht worden. Im Jahr 1912 begann der Bau und wurde erst 1918 beendet. Die Anlage wurde jedoch nicht nach den bekannten Plänen gebaut: Die Tropfkörper waren nicht mehr wie ursprünglich vorgesehen eingehaust sondern freibewittert; die Kremerbrunnen besaßen keinen viereckigen Grundriss (3m x 5m) mehr, sondern wurden zylindrisch ausgeführt.2 Da die Kremerbrunnen speziell für die Reinigung des Abwassers von ölhaltigen Verschmutzungen ausgelegt sind, würde sich deren Anwendung auf einem Verschiebebahnhof (Waschung der Bahnwaggons) anbieten, so daß der kreisförmige Grundriß evtl. eine Weiterentwicklung darstellt.  

Das „Kremersche Klärverfahren mit Fettgewinnung“ entwickelte sich aus den „Kremerschen Fettfängern“.3 Kremerbrunnen dienten oft als Vorklärung vor biologischen Anlagen und da das Wasser ungefault auf die Tropfkörper gelangt, tritt auch kaum Geruchsbelästigung auf.4 Die Kombination von Kremer-Brunnen und Tropfkörpern stellte eine bewährte Methode dar, war aber zu dem damaligen Zeitpunkt noch eine moderne Verknüpfung.

Ursachen des Erhalts

In den öffentlichen schriftlichen Unterlagen ist die Wustermarker Anlage nicht aufgelistet. Die Lage der Anlage auf dem Betriebsgelände der Bahn als autarke Einrichtung zur Reinigung des Abwassers und nicht zuletzt die Produktionsbedingungen in der DDR, sind die wahrscheinliche Ursache für den Erhalt der Anlage in diesem Zustand. Auf der Suche nach erhaltenen frühen biologischen Kläranlagen stießen die Seminarteilnehmer auf nur eine ältere in Deutschland: Die mechanische Kläranlage in Kaditz/Dresden, die 1910 mit Siebscheiben in Betrieb genommen wurde. Sie ist aber bis heute mehrmals modernisiert worden. Es stellte sich die Frage, ob die Wustermarker Anlage insgesamt die älteste und vielleicht auch einzige erhaltene (biologische) Kläranlage aus der „ersten Epoche“ der Klärtechnik in Deutschland ist.

Auf der Suche nach Konzepten

Bei der Diskussion um die Stärken des Objekts für eine heutige Nutzung fiel den Seminarteilnehmer(inne)n vor allem die Eignung als Anschauungsobjekt der Umweltbildung auf. In dieser einfach aufgebauten Kläranlage lässt sich der Weg des Abwassers durch die einzelnen Stationen des Klärprozesses gut verfolgen und Besuchern vermitteln. Die Anlage eignet sich im Besonderen zur Thematisierung der Problematik der schwindenden Ressource Wasser in der Industriegesellschaft. Die Eingebundenheit in die einst autarke Bahnanlage und die unmittelbare Nachbarschaft zur Entseuchungsanlage und Wagenwäsche verleihen diesem technischen Denkmal eine besonders hohe Authentizität.

In ersten Diskussionen der Seminarteilnehmerinnen und –teilnehmer über die Möglichkeiten einer öffentlichen Präsentation, wurde die Idee entwickelt, die Anlage über einen Rundweg begehbar zu machen: Angefangen bei der Wagenwäsche, wo die Problematik des Abwassers, der Zusammenhang mit der Versorgung der Großstadt Berlin und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten thematisiert werden könnten, über die einzelnen Stationen des Klärprozesses bis hin zu den Pflanzen, die sich nach Stilllegung der Anlage angesiedelt haben.

Für diesen Konzept hielt das Seminar ein Restaurierungskonzept für ausreichend, in dem die konservatorischen Eingriffe auf ein Minimum zum Erhalt der Substanz der Anlage beschränkt werden sollten, so z.B. auf Sicherung von salzbelastetem Mauerwerk und korrodierendem Eisen und eine Ausdünnung des Wildwuchses an Pflanzen, da sie die Anlage teilweise überwuchern.

 Ob dieses außergewöhnliche Denkmal für die Entwicklung der Umwelttechnik erhalten werden kann, hängt vom Willen der Deutschen Bahn AG und der Initiative der Gemeinde Wustermark ab. Entweder wird der Bahnhof zu den Feierlichkeiten seines 100-jähriges Bestehens im kommenden Jahr mit Tüchern verhängt, oder es übernimmt jemand noch rechtzeitig die Verantwortung.

Die Seminarteilnehmer(innen) aus dem Studiengang zur Restaurierung von technischem Kulturgut: Maxie Berlin, Oliver Brandt, Philipp Hann, Sebastian Karp, Oliver Schach, Jessica Stockhorst

Dozent: Thomas Dempwolf (Dipl.-Restaurator)

Kontakt: DempwolfThomas@aol.com

FH für Technik und Wirtschaft, Berlin: www.f5.fhtw-berlin.de/krg/

Ansprechpartner Restaurierung von technischem Kulturgut:Prof. Ruth Keller-Kempas, M.A.Campus WilhelminenhofGebäude A2, Raum 511Wilhelminenhofstr. 75A12459 BerlinTel.: 030 / 5019-4258


 Anmerkungen

1) Interview von Oliver Brandt und Phillip Hann mit Herrn Schlums, ehemaliger Leiter des Schienennetzes Bahnhof Wustermark, sowie Herrn Dzialek, ehem. Leiter des Betriebswerks Wustermark, 26.01.2006.

2) SALOMON, Dr. Hermann, Die städtische Abwässerbeseitigung in Deutschland, Band II, Jena 1907, S. 200.; Grundriss vgl. BACH, Hermann: Die Abwasserreinigung, München 1927, S. 62, S. 75.

3) SALOMON 1907, S. 204.

4) SALOMON 1907, S. 205.

5) Abbildung aus BEDESCHINSKI, NEDDERMEYER: Der Rangierbahnhof Wustermark und die Eisenbahnersiedlung Elstal, Berlin 2004, S. 42

 

Abbildungen (in Bearbeitung)

 

 

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1 a+b. Die ´Kremer-Brunnen´, Ansicht (Fotos: Christian Bedeschinsky, Berlin, 1999; aus: Bedeschinski/Neddermeyer 2004)

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2. Plan der Kläranlage Wustermark
Das Abwasser fließt über einen Rechen (1) und die Kanäle aus Richtung Betriebswerk und Eisenbahnersiedlung, wird über das Pumpenhaus mit Sandfang (2) in die zwei Kremerbrunnen (3) verteilt, die Schwebstoffe gelangen in die beiden dazu gehörigen Schlammbecken. Das vorgereinigte Wasser wird, bevor es in das Nachklärbecken (5) gelangt, in den drei (ehemals vier) Tropfkörpern (4) biologisch aufbereitet.5

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3. Westlicher Kremerbrunnen von oben
Auf dem Brunnen liegt eine Wartungsbühne aus vier beplankten I- Trägern mit Geländer. Die Träger sind stabil, einige Bretter fehlen, die meisten sind morsch. Die Beschichtung des Betonkörpers blättert teilweise ab, die Rinnen sind bemoost. Die Zeichnungen geben schematisch den inneren Aufbau des Kremerbrunnens wieder.

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4. Aufsicht auf Kremerbrunnen
Mauerwerk (1), Sammelrinne aus Beton (2), Tauchwand aus Stahlprofilen und Holz (3), Absetzraum (4), Verteilungsrinne vermutlich aus Steinzeug(5), Schlammablassrohr (6), Zulauf (7), Ablauf (8)

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5. Querschnitt / Ansicht
Der Boden konnte nicht genau ausgelotet, aber eine Kegelform konnte ermittelt werden. Rechts erkennt man den umlaufenden Sims an der Außenseite. Seine Unterkante markiert in etwa den Wasserstand (9). Betonzylinder verklinkert (10)

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6. Einblick in den westlichen Kremerbrunnen
Der Brunnen ist mit Wasser gefüllt, das starkes Algenwachstum aufweist und stinkt. Im Wasser befinden sich, neben einem Objektivdeckel, abgestürzte Teile der Bühne.

Farbfotos und Skizzen: Oliver Brand, Sebastian Karp

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Sven Bardua: Viel Aufwand im Untergrund der Landeshauptstadt Schwerin

In der mecklenburgischen Landeshauptstadt Schwerin ist damit vor mehr als 100 Jahren begonnen worden. Alte Kanäle, Pumpwerke, die Gebäude einer Kläranlage und etliche Museumsstücke erinnern an die Tradition der Schweriner Abwasser-Entsorgung (SAE), einem Eigenbetrieb der Stadt. Oft nutzte er moderne Technik, sehr oft profitierte er aber auch von der Initiative der Beschäftigten.

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Vier Meter unter der Bornhövedstraße liegt ein etwa 100 Jahre alter Hauptsammler mit einer Höhe von 1,80 Metern. Von links kommt Schmutzwasser aus einem Kanalrohr der Robert-Koch-Straße. Über eine mobile Kanalleiter kommen die Beschäftigten – wie Gunnar Wendt (im Bild) – herunter.

Ende des 19. Jahrhunderts musste Schwerin handeln. Damit die Gewässer sauber blieben und ein einwandfreies Trinkwasser zur Verfügung stehen konnte, organisierte sie die Entsorgung neu. Denn Spülwasser und Ausscheidungen von Mensch und Tier versickerten im Boden oder wurden über Rinnsteine in benachbarte Gewässer abgeleitet. Seewasser und mit Handpumpen gefördertes Grundwasser aus geringer Tiefe diente damals ungefiltert auch als Trinkwasser – für die Hygiene fatal. Der Bau des ersten Abwasser-Sammlers 1887 vom Schelfmarkt zum Ziegelsee war deshalb ein großer Fortschritt. Fünf Jahre später waren an die neue Kanalisation schon 2100 Grundstücke angeschlossen; damit war sie vorläufig fertig gestellt. Gleichzeitig ließ die Stadt eine zentrale Wasserversorgung bauen.1890 ging das Wasserwerk Neumühle mit dem Rohrnetz in Betrieb.

Die unterirdische Kanalisation leitete das Abwasser – zusammen mit dem Regenwasser – zunächst auch nur in die nächsten Seen ab. Die Fäkalien wurden noch eingesammelt und abgefahren: Allein 1904 fuhren täglich fünf Wagen 1440 Tönnchen ab. Erst seit 1908 wird das Abwasser auch gereinigt: Damals ging die Kläranlage in der Bornhövedstraße am Schweriner See mit einer Rechenanlage, einem Sandfang, sechs Klärbrunnen, Schlammförderanlage und Schlammtrockenbeeten in Betrieb. Mit einer Kapazität von 216 Kubikmetern pro Stunde (m³/h) für etwa 42.000 Einwohner war sie aber schnell zu klein. Auch die mechanischen Kleinkläranlagen waren zwar ein Fortschritt, arbeiteten aber nur unzureichend. Von 1928 bis 1936 entstanden die Anlagen Parkweg, Weinbergstraße, Zippendorf, Dwang, Möwenburgstraße und Mustersiedlung sowie 1951 die am Buchenweg, weil diese Stadtteile noch keinen Anschluss an die zentrale Kanalisation hatten.

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Bis 1927 sorgte allein das freie Gefälle für den Abfluss in der Schweriner Kanalisation, dann ging das erste Pumpwerk am Franzosenweg in Betrieb.

Als „denkbar ungünstig“ wurden die Verhältnisse im Netz und in der Kläranlage bis 1958 beschrieben. Überlastete Altanlagen und äußerst schlechte Gefälle-Verhältnisse waren die Gründe, Rückstaue und Versandungen sowie überschwemmte Keller die Folge. Die Ursachen für viele Probleme lagen weit zurück. Wegen der um 1890 durchaus „begründeten Abneigung gegen Abwasser-Pumpwerke“ sollte der Abfluss in der Kanalisation allein aufgrund des natürlichen Gefälles funktionieren. Da Schwerin aber einige Hügel hat, hätte die Kanalisation aufwendig in großen Tiefen verlegt werden müssen. Hier jedoch wurde gespart, das Gefälle war zu gering, die Rohre zu klein. Schließlich investierte der Betrieb verspätet aber doch in drei Pumpwerke: Die Anlage am Schweriner See (Franzosenweg) ging 1927, die Werke in der Knaudtstraße und am Jägerweg 1929 in Betrieb. Sie pumpten Abwasser aus tiefer gelegenen Rohren in höher gelegene und vermieden so Rückstaus.

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An der Bornhövedstraße arbeitete von 1908 bis 1998 die erste Kläranlage von Schwerin. Die anspruchsvolle Architektur erinnert an die Rekonstruktion des Werkes von 1958.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Kanalnetz und Kläranlagen in der stark gewachsenen Stadt endgültig überfordert. 1950 wohnten 90.000 Menschen in Schwerin, 1908 waren es nur 34.000 gewesen. Vor allem bei starken Regenfällen lief das von Mischwasserkanälen dominierte System über und ergoss sich in die Seen. In den tief gelegenen Vierteln der Altstadt waren überflutete Keller, manchmal Straßen, nicht ungewöhnlich. Außerdem beklagte sich die Bevölkerung über die „Düfte“ der zu kleinen Kläranlage. Selbst das „geklärte“ Abwasser war faulig, der Schweriner See in der Nähe des Werkes stark belastet. Es lag außerdem zu tief. Das gereinigte Wasser konnte deshalb nicht ohne weiteres abfließen. Die Klärbrunnen galten schon lange als zu klein: Die Zeit zum Absetzen und Ausfaulen der Feststoffe im Abwasser war deshalb zu kurz. So wurden auch bei trockenem Wetter, also ohne zusätzliches Regenwasser, immer mehr teil-geklärte Abwässer in den See geleitet.

Schließlich wurde die Kanalisation modernisiert, mit weiteren Pumpwerken ergänzt und das Klärwerk Bornhövedstraße bis 1958 neugebaut. Es war nun für 1070 m³/h Abwasser ausgelegt. Das in der Schlammfaulung entstehende Klärgas wurde in einem benachbarten Gasbehälter zwischengelagert und im Betrieb zum Heizen verwendet. Gleichzeitig wurden auf dem Kläranlagen-Gelände für die kommunalen Abteilungen Abwasser und Trinkwasser Werkstätten, Garagen und Lager sowie in den 1960er Jahren auch Verwaltungsgebäude, Kultur- und Speiseraum gebaut. Damit hatte Schwerin hier eine neue, fortschrittliche Infrastruktur. Ihre bis heute erhaltenen Bauten wurden zudem anspruchsvoll gestaltet.

Die Wasserbetriebe der Stadt waren schon vorher zusammen gerückt: Seit 1952 firmierten sie als VEB (K) Wasserwirtschaft Schwerin. 1964 wurde der örtliche Betrieb Teil des bezirksgeleiteten VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung (WAB) Schwerin und übernahm die Zuständigkeit für das Trink- und Abwasser der etwa 330 Kommunen im Bezirk. Hier war die Versorgung sehr unterschiedlich strukturiert und lag weit unter dem DDR-Durchschnitt. Anschließend wurden in wenigen Jahrzehnten Tausende von Menschen an eine moderne Wasserver- und entsorgung angeschlossen. 1964 waren nur 41 Prozent der Bezirks- Einwohner an Abwasser-Systeme angeschlossen, an die zehn zentralen Kläranlagen nur 27 Prozent. Außerdem gab es einen geringen Mechanisierungsgrad und kaum biologische Reinigungsstufen. Als erstes Klärwerk im Bezirk erhielt das in Bützow 1975 eine moderne biologische Aufbereitung mit Belüftung. 1989 hatte der Bezirk Schwerin dann 89 Prozent der Haushalte (vor allem in den Städten) an die Kanalisation angeschlossen. Gleichzeitig war die Zahl der Beschäftigten im gesamten VEB WAB seit 1964 von 555 auf 918 gestiegen.

1970 baute er die Kläranlage Bornhövedstraße auf eine Leistung von 2120 m³/h aus und begann den Bau einer neuen Anlage in Schwerin-Süd. Sie ging 1974 mit einer Leistung von 1426 m³/h in Betrieb. Das nur mechanisch gereinigte Abwasser wurde auf Sickerflächen ausgebracht oder landwirtschaftlichen Flächen verregnet. Mit der Anlage konnten neue Wohn- und Gewerbegebiete erschlossen werden. Außerdem wurden die Kleinkläranlagen schrittweise außer Betrieb genommen, die letzte am Buchenweg erst 1992.

Später wurden auch Umlandgemeinden an die Schweriner Kanalisation angeschlossen. Nach dem erheblichen Ausbau der Kläranlage Schwerin-Süd unter anderem mit einer biologischen Reinigungsstufe (in einfacher Form schon 30 Jahre zuvor in der Bornhövedstraße geplant, aber nicht gebaut) war 1993 das Ende für die alte Kläranlage Bornhövedstraße gekommen; fünf Jahre später wurde das Gelände zugunsten von Schwerin-Süd als zentraler Betriebsstandort aufgegeben. Heute befindet sich auf dem Gelände ein moderner Mischwasser-Speicher mit 3000 m³ Kapazität, der ein Überfluten des Kanalsystems bei starken Regenfällen in die benachbarten Seen verhindert. Einen zweiten Speicher gibt es auf der Kläranlage Schwerin-Süd mit 6200 m³. Außerdem wird inzwischen in der gesamten Stadt gepumpt: Mehr als 100 Pumpanlagen arbeiten heute in dem 40 Kilometer langen Rohrnetz der Schweriner Abwasserentsorgung.

Knochenarbeit unter Tage

Noch Mitte der 1960er Jahre wurde das Kanalnetz in Schwerin überwiegend per Hand gereinigt. „Das war vor allem Knochenarbeit“, betont der Meister Bernd Müller, seit 1963 im Betrieb. Gereinigt wurde mühevoll mit Eimern, Bürsten und anderen Schürfgeräten, die mit handbetriebenen Winden durch die Rohre gezogen wurden. So ließen sich mit einem am Seil drehenden Wurzelschneider in das Rohr ragende Pflanzen abkratzen. In die großen Sammler stiegen die Arbeiter selbst ein, um vor Ort zu arbeiten. Ausreichend moderne Technik, wie Hochdruck-Spülgeräte und Schlammsaugwagen gab es erst in den 1980er Jahren.

Das Seil einer Winde haben noch um 1960 kleine Hunde zwischen zwei Schächten durch eine etwa 50 Meter lange Kanalhaltung gezogen. Später halfen dabei lange Latten aus Eschenholz. Diese Kanal-Latten waren einen halben Zentimeter dick, biegsam und schwammen auf dem Wasser. Mehrere von ihnen wurden aneinander genagelt und so durch die bis zu fünf Meter tiefen Schächte und die Kanalrohre gedrückt. Damit ließ sich dann ein Seil durchziehen oder auch schnell eine kleinere Verstopfung lösen. Bei einem hartnäckig verschmutzten Kanal blieb das eingesetzte Gerät allerdings auch manchmal hängen. Dann war Einsatzfreude und Fingerspitzengefühl zugleich gefragt. „Trotzdem konnten wir manchmal die Verstopfung erst am folgenden oder am dritten Tag beseitigen“, erinnert sich Müller.

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Bernd Müller zeigt einige historischer Geräte: ein Kanalwagen von etwa 1960 zum Entfernen von Ablagerungen sowie eine Bürste, ein Wurzelschneider, eine Zugschaufel und ein Kanalroller von etwa 1950.

Alte Geräte der Stadtentwässerung sind im Betriebsgebäude der Kläranlage Schwerin-Süd ausgestellt: Sicherheitsschuhe aus Holz, Leder und Stoff, Sicherheitsgurte, Bürsten und Wurzelschneider, eine Winde und ähnliches. Vieles davon war einst in der hauseigenen Werkstatt entstanden. „Auch das erste Hochdruck-Gerät haben wir uns selbst gebaut“, erzählt Müller. Seit etwa 1959 konnten damit Verstopfungen deutlich besser beseitigt werden: Mit einem Druck von etwa 40 bar bahnte sich fortan der Wasserstrahl einen Weg.

(Stand 2005)

Ergänzung von Januar 2008:

Schon 1998 war das Maschinen- und das Pförtnerhaus des 1958 an der Bornhövedstraße 71/75 gebauten Klärwerkes aus der Denkmalliste gestrichen worden. Ein Abbruch ist geplant. Dort am Schweriner See soll 2009 Teile der Bundesgartenschau stattfinden. Gerade aber diese Schau böte die Möglichkeit, die dort überlieferte qualitätvolle Industriearchitektur zu erhalten. Die aufgelockerte Bauweise lasse sich gut in eine Parklandschaft integrieren. Bei Gartenschauen im Ruhrgebiet und in Eberswalde jedenfalls wurden Industriedenkmale integriert. Auch das 1929 erbaute Abwasser-Pumpwerkes in der Knaudtstraße ist gefährdet. Nach Angaben der Schweriner Landesdenkmalpfleger hatte ein Sturm das Dach erheblich beschädigt, die Stadt wollte daraufhin das Häuschen abbrechen. Die Denkmalpflege aber wehrt sich dagegen. Dem Vernehmen nach soll das Häuschen nun verkauft werden. 

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1929 ging das Abwasser-Pumpwerk in der Knaudtstraße für Teile der Schelfstadt in Betrieb. Heute arbeiten neue Pumpen unterirdisch neben dem denkmalgeschützten Häuschen.                  

(alle Fotos: Sven Bardua, 2005)

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Köln-Kalk: Anspruchsvolle Werksarchitektur auf dem KHD-Gelände an der Christian-Sünner-Straße soll unter Denkmalschutz gestellt werden

Erinnert sei an die Möhring-Halle auf dem Gelände der Deutz AG an der Deutz-Mülheimer-Straße, eine Halle, in der die damalige Gasmotorenfabrik Deutz zur großen Kunst- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf 1902 ihre Erzeugnisse ausstellte. Die Halle wurde entworfen von dem Berliner Architekten Bruno Möhring und dem Chefkonstrukteur der Gutehoffnungshütte Reinhold Krohn. Die Deutz AG ist an diesem Standort ein geradezu unübertrefflicher Erinnerungsort für die Entstehung der Moderne – nicht nur als Standort der ersten Motorenfabrik der Welt, sondern zugleich auch mit einem Bauwerk, das in vielen architekturgeschichtlichen Publikationen als einer der wichtigen Pionierbauten auf dem Weg zur Klassischen Moderne gefeiert wird.

Auf dem benachbarten Grundstück wurden ebenfalls durch Inventarisation des RAD die Schwebebahn-Hallen entdeckt. Hier wurde diese bedeutende aus Köln stammende Erfindung von Eugen Langen erprobt und die ersten Schwebebahnwagen für Wuppertal montiert.

Weitere Schwerpunkte in der Inventarisationstätigkeit der Industriedenkmalpflege in Köln sind die Industriegelände an der Schanzenstraße in Mülheim-Nord und das KHD-Werk in Kalk. Letzteres wurde 1856 als Maschinenbaufabrik für Bergwerksmaschinen gegründet und seit den 1870er Jahren als „Maschinenbauanstalt Humboldt“ überregional bekannt. Mit der rasanten Entwicklung des Unternehmens in den Jahrzehnten um 1900 entstanden viele neue Hallen entlang der Dillenburger Straße, alte Hallen wurden durch Neubauten ersetzt.

Unter Leitung des Generaldirektors Richard Zörner hatte die Maschinenbauanstalt regional renommierte Architekten mit der Gestaltung dieser Bauten beauftragt – die Werksarchitektur sollte als Aushängeschild einer neuen Kompetenz des Unternehmens im Zusammenwirken von qualitätvoller Technik und gutem Design dienen.

Das 1880 zur Stadt gewordene Kalk bot den Architekten ideale Voraussetzungen: Seit 1894 gab es hier einen anspruchsvollen Bebauungsplan, der östlich vor dem Werksgelände von Humboldt einen Sternplatz nach dem Vorbild der Urbanistik in den großen Metropolen der damaligen Welt vorsah. Ebenso wichtig für das Stadtbild von Kalk war die Dillenburger Straße. An beiden Stellen entstanden 1914-1916 neue Bauten nach Entwürfen von Peter Gaertner und Jacob Berns.

Abenteuerh450.JPGDie Abenteuerhalle Kalk am 28. 4. 2008 während des 6. Kölner Denkmalgesprächs der FH Köln und des Rh. Amtes für Denkmalpflege

Gaertner und Berns zeichneten für die Werksfront der Maschinenbauanstalt Humboldt mehrere Varianten, wobei das Stadtbild an dieser Stelle auch durch einen Wasserturm bereichert werden sollte. Eingezeichnet wurde auch die angrenzende Wohnbebauung im Stil der damaligen, noch romantischen Vorbildern verpflichteten Reformarchitektur. Die dazu passende Werksarchitektur gestalteten Gaertner und Berns im Kontrast dazu mit kräftigen Vertikalen nach dem Vorbild des beispielsweise von Peter Behrens in dieser Zeit propagierten reduzierten Klassizismus. Die aufwändigen städtebaulichen Ziele – gerechnet wurde in der Nachbarschaft auch mit einer Schule und einer Kirche – wurden nicht verwirklicht. Humboldt erwarb das ganze östlich anschließende Gelände für zukünftige Werkserweiterungen.

Ausgeführt wurde die aussagekräftige Backsteinarchitektur nach dem Entwurf von Peter Gaertner und Jacob Berns, bekrönt noch durch den erhaben auf dem Mauerwerk angebrachten Schriftzug mit dem Firmennamen „Humboldt“.

 

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Das Rheinische Amt für Denkmalpflege wird – gestützt auf die neuen Erkenntnisse – die Eintragung der Werksbauten an der heutigen Christian-Sünner-Straße beantragen und hofft auf baldige Umsetzung des Denkmalschutzes durch den Stadtkonservator so, wie das auch für die Möhring-Halle und die Schwebebahn-Hallen geschehen ist.

(Pressemitteilung des LVR/Rh. Amt für Denkmalpflege; Fotos: Redaktion)

siehe auch www.rheinische-industriekultur.de

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Oberhausen / Essen / Dortmund: Neue Hefte von „Schichtwechsel“ und „Forum“ erschienen

Der Artikel „Tod in der Tiefe: Grubenunglücke auf Concordia“ von Frank Dittmeyer in der Oberhausener Zeitschrift „Schichtwechsel“ informiert nicht nur über den Verlauf und Ursachen des Unglücks, sondern geht auch der Frage nach, inwieweit das NS-Regime die Trauerfeier für die Bergleute zu Propagandazwecken nutzte.

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Bisher unveröffentlichte Fotos, die der Redaktion von privater Hand zur Verfügung gestellt wurden, zeigen die Unglücksstelle unmittelbar nach dem Einsturz. So ist die vollständig zerdrückte Strecke ebenso abgebildet, wie die zwei Tonnen schwere Schrämmaschine, die vom Kohlenstoß weggeschleudert und zertrümmert wurde. Neben dem Gebirgsschlag, wird auch das größte Grubenunglück auf Concordia, die Schlagwetterexplosion vom Februar 1918, bei der 20 Bergleute ums Leben kamen, thematisiert.

Auch Christian Jung hat sich mit dem Bergbau beschäftigt. Die von ihm konzipierte Radtour „Anfahren – Mit dem Rad zur Kohle“ führt zu ehemaligen Zechen und dem was davon übrig geblieben ist. Der farbig bebilderte Beitrag ist nicht nur ein Muss für jeden Radler, sondern liefert auch allerlei Historisches und Anekdotenhaftes über die Oberhausener Zechen.

Püttgeschichte, aber diesmal anders: Am 15. November 1958 empfängt DDR-Ministerpräsident Grotewohl eine Delegation von Betriebsräten und Bergleuten aus Oberhausen. Was war geschehen? Während hier Feierschichten gefahren wurden und Kohle auf Halde lag, hatte Grotewohl der Bundesregierung das Angebot unterbreitet, mehrere Millionen Tonnen Steinkohle abzunehmen. Die Oberhausener Kumpel fühlten sich angesprochen, nahmen Kontakt zu Kollegen aus dem Ruhrgebiet auf und planten mit hunderten von Bergleuten zu Otto Grotewohl zu fahren, um den Kohlekauf durch die Bundesregierung den Boden zu bereiten. Willi Haller, der zwar nicht selbst in Berlin war, aber die Aktion mitgeplant hatte, wurde später auch wegen diesem „Vergehen“ zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Dieter Bramorski erinnert in seinem Beitrag „Kalter Krieg in Oberhausen“ an eine fast vergessene Geschichte dieser Zeit und stellt fest, dass „der Kalte Krieg nicht nur ein Phänomen ferner Hauptstädte war, sondern mit großer Härte auch in Oberhausen ausgetragen wurde.“

Außerdem im Schichtwechsel: „Vom Zink zur Kultur“, die Entwicklung des Altenberggeländes seit den 1970er Jahren, „Fundsache“, wiederentdeckte Industriefotografien aus dem Jahr 1978, „Firmengeschichte“, die Sandgräberei Dickmann in der Lipperheide, „Stolpersteine“, die erste Verlegung in Oberhausen sowie Beiträge in den Rubriken „Straßennamen“, „Denk-Mal“ und Kurzmeldungen.

Weitere informationen: www.schicht-wechsel.net

Das Journal kostet 3.-¤ und ist in Oberhausener Buchläden oder direkt bei der Geschichtswerkstatt Oberhausen erhältlich.

Geschichtswerkstatt Oberhausen, Hansastr. 20, 46049 Oberhausen
Tel. 0208-307 83 50 
info@geschichtswerkstatt-oberhausen.de


Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur

i_klartext_zeitschrift_industriedenkmal_forum.jpg (ältere Ausgabe)

Die soeben fertig gestellte Frühjahrsausgabe der Zeitschrift beschäftigt sich in seinem Schwerpunkt mit "Schwere(r) Arbeit".

Editorial

Eine sinnliche Reminiszenz „schwerer Arbeit“ im Ruhrgebiet teilt sich über die rauchende Hochofenkulisse im Duisburger Norden noch heute mit. Assoziationen zu Bildern aus der Arbeitswelt von Stahlarbeitern und Bergleuten entstehen, die sich vielfach mit den über die Industriemalerei und -fotografie tradierten Ansichten von monumentalen, Feuer speienden Hochöfen und düsteren Bergwerksstollen verbinden. Hier hat der heroische Mythos von „schwerer Arbeit“ im Ruhrgebiet einen wichtigen Grund – einhergehend mit den überlieferten Erzählungen von der „ehrlichen“, körperlich-harten Arbeit, die sich an „geheimen“, für die breite Öffentlichkeit unzugänglichen Orten abspielte.

Das vorliegende Heft gibt Einblicke in „schwere Arbeit“, geht Gründen ihrer Mythologisierung und Versuchen einer kritischen Tradierung nach. Darüber hinaus wird die Vorstellung von „schwerer Arbeit“ erweitert um Beispiele aus Arbeitswelten (Automobil- und Textilindustrie), deren Arbeitsplätze gemeinhin nicht dazu gezählt werden, gleichwohl aber Anrecht auf ein solches Etikett beanspruchen können.

Die von Thomas Parent aufgezeigte Diskussion um die „Sanierung“ des Stadtteils Duisburg-Bruckhausen zeigt, die industriell hervorgebrachte Urbanität ist noch nicht ganz Geschichte geworden. Die Ambivalenzen im Umgang mit dieser „Geschichtslandschaft von hohem Denkmalwert“ sind zugleich beredter Ausdruck eines „Unbehagens in der Geschichtskultur“, das Berthold Bartel anhand von Beiträgen aus früheren FORUM-Heften zur Diskussion stellt.

INHALT

Magazin
Schwerpunkt „Schwere Arbeit“

Thomas Welskopp: Schwere Arbeit – harte Arbeit. Zur „Anerkennung“ montanindustrieller Arbeit  17
Sigrid Schneider: Feuerarbeit. Fotografie und Arbeitsdarstellungen  23
Rainer Lichte: „Wir wollten die Maloche abschaffen, nicht den Malocher …“  25
Manfred Wannöffel: Von „Schicht im Schacht“ zum „Arbeiten an der Kette“. Schwerarbeit im Ruhrbergbau vor dem Aus  30
Brigitte Schneider: Schwer herzustellen – schön zu tragen. Arbeit in der Bekleidungsindustrie des Ruhrgebiets  35
Klaus Türk: Die Heroisierung des Arbeiters. Bilder der Arbeit in der bildenden Kunst  39
Hanneliese Palm: Schaffen erst im Dunst und Qualme … Schwere Arbeit in der Literatur  46
Michael Farrenkopf: Wie „schwere Arbeit“ ausstellen? Zur Präsentation von Arbeit im Deutschen Bergbau-Museum Bochum  51
Wolfgang Staiger: „Bergarbeiter“ Beileger

Wieder gelesen
Michael A. Kanther Revier der großen Dörfer. Industrialisierung und Stadtentwicklung im Ruhrgebiet  62

Beiträge

Thomas Parent: Kein Wohnen im Schatten der Hochöfen! Grüngürtel zerstört Geschichtslandschaft  64
Karin Dahm-Zeppenfeld: Maschinenhallen im Ruhrbergbau – zum Typus eines speziellen Zechengebäudes und zur Einordnung der Maschinenhalle Zollern II/IV  66
Detlef Hopp: Der Weg in die Stadt  69
Jürgen Bacia: Das Archiv für alternatives Schrifttum (afas)  70
Berthold Bartel: Das Unbehagen in der Industriekultur. Ein Zentralbegriff im Diffusen – ein Kurzinventar  73
Herbert Niewerth: Eine Ikone der Industriekultur muss erhalten bleiben. Der Kampf um den funktionsfähigen Erhalt des Neuen Schiffshebewerks Henrichenburg  79

Veranstaltungsankündigungen
Museen und Ausstellungen
Rezensionen, Annotationen
Zeitschriftenrundschau

Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e.V./Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur (Hg.): FORUM Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, Essen: Klartext Verlag 2008, ISSN: 1436-7661

Das Heft ist für 6,00 Euro zu beziehen über: www.geschichtskultur-ruhr.de

(nach Pressemitteilungen der jeweiligen Redaktionen)

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