Archiv für den Monat: Dezember 2011

Zürich: Archiv der Textilfirma Robert Schwarzenbach wird erschlossen

­Das Seidenhaus Schwarzenbach wurde, so heißt es weiter, 1829 in Thalwil gegründet. Daraus ging in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Firma Robert Schwarzenbach & Co. hervor. 1928 sei es das grösste Textilunternehmen der Welt mit eigenem Hochhaus in Manhattan gewesen. Für die Firma arbeiteten 28’000 Angestellte, der Umsatz betrug 267 Millionen Schweizer Franken. 1981 wurde die Produktion eingestellt.

Damit würden wertvolle Informationen zur Wirtschafts-, Sozial- und Textilgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts gesichert, heisse es in einer gemeinsamen Mitteilung der ZB und des SNM. Das Archiv in Thalwil berge umfangreiche Geschäftskorrespondenz und persönliche Nachlässe der Familie Schwarzenbach. Zudem enthalte das Archiv auch besondere Einzelstücke wie beispielsweise die einzige erhaltene Mitschrift einer Rede, die Adolf Hitler im August 1923 in Zürich hielt. Den Kern des Textilarchivs bilden Musterbücher, Hängemuster, Referenzmusterschachteln sowie Jacquard-Patronen. Das Schwarzenbach-Archiv ist somit eine äusserst wichtige Quelle zur Erforschung der Geschichte der zürcherischen Seidenindustrie.

Die Archivalien umfassen 50 Laufmeter, dazu kommt das Textilarchiv in 35 Paletttürmen. Die Arbeiten – sichten, katalogisieren, konservieren und lagern – würden von der Zürcherischen Seidenindustrie Gesellschaft mit einem Betrag von 600’000 Franken unterstützt. Zusätzlich haben sich die Baugarten-Stiftung und die Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung mit einem erheblichen Betrag beteiligt.

­Köln: Neues von den Leuchttürmen der Industriekultur

Heimatforscher Sascha Widdig widmet dem Carlswerk von Felten & Guilleaume im rechtsrheinischen, bis 1914 selbständigen Mülheim einen Fotoband in der Reihe „Arbeitswelten“ des Erfurter Sutton Verlages. Die beiden Vorworte von Ulrich S. Soenius (IHK Köln/Rheinische-Westfälisches Wirtschaftsarchiv) und Walter Buschmann (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland) fassen die Geschichte und Bedeutung Großunternehmens und seines gut erhaltenen Baubestandes treffend und unmissverständlich zusammen. Darauf folgt eine sehr vielfältige, um nicht zu sagen heterogene Bildersammlung, die durch ihre chronologischen Vor- und Rücksprünge irritiert. Die teils längeren Bilderläuterungen, deren Perspektive von Architektur bis Sozialgeschichte häufig wechselt, bleiben meist beliebig und ungenau. Nach einer Unternehmensgeschichte oder einer Gesamtdarstellung des heute überlieferten Baubestandes hält man jenseits der Vorworte vergeblich Ausschau. Am Ende steht ein sehr kurzer Blick auf die erfolgreiche Um- und Neunutzung des Areals durch mehrere Akteure, wobei das heute als „Carlswerk“ firmierende Immobilienunternehmen nur einen Bruchteil des ursprünglichen Geländes betreut.

Die zweite Veröffentlichung, aus der Feder des ehemaligen Direktors des Kölnischen Stadtmuseums, widmet sich einem bereits vor über hundert Jahren, 1905, gescheiterten Unternehmen, das sich zu Glanzzeiten als Konkurrenz von AEG und Siemens verstand, ohne wirklich in derselben Liga zu spielen. Vor allem durch seine aufwendigen und markanten Bauten, die über Jahrzehnte mehrfach umgenutzt wurden, prägt es bis heute den historisch bedeutenden linksrheinischen Industrievorort Ehrenfeld mit. Der Leuchturm – Hinweis auf die Herstellung elektrischer Leuchtfeuer – ist das Wahrzeichen des Stadtteils; aber auch im Großdynamo- und Straßenbahnbau war „der Helios“ aktiv. Aktueller Anlaß für die Publikation ist die anhaltende Diskussion über den geplanten Bau eines Einkaufszentrums auf dem Gelände, der vor Ort heftig und einfallsreich diskutiert und bekämpft wird (siehe Medienbericht). Ohne auf diesen Hintergrund weiter einzugehen, handelt Schäfke wissenschaftlich belegt, aber gut lesbar geschrieben die Geschichte des Unternehmens ab, das mit hohen Erwartungen im Rahmen der „Zweiten Industriellen Revolution“ durch die Elektrizität startete, sich aber nach bemerkenswerten, internationalen Anfangserfolgen gegen die Berliner und Frankfurter Konkurrenz nicht behaupten konnte. Als auftragsfreie Firmengeschichte bildet das Buch eine bemerkenswerte und wohltuende Ausnahme in diesem Sektor. Die vor allem auch auf gezielter Werbestrategie beruhenden faszinierenden Foto- und „Reklame“-Dokumente der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg werden in dem Band grafisch sorgfältig und genußfähig präsentiert, so daß eine in dieser Form für Köln derzeit einmalige Darstellung eines der bedeutendsten industriellen Großbetriebe im Weichbild der Stadt entsteht. Damit wird – um auf die aktuelle Diskussion zurückzukommen – nicht zuletzt ein deutliches Plädoyer für den respektvollen und bewussten Umgang mit allen baulichen Zeugnissen an diesem Standort abgegeben. Möge der – offensichtlich später verworfene – Titel „Ein Leuchtturm erleidet Schiffbruch“ aus der Pressemitteilung nicht noch einmal Wirklichkeit werden.

Sascha Widdig:
Felten & Guilleaume Carlswerk
Erfurt: Sutton 2011
ISBN 3866809425, 127 S., ¤ 18,95

Werner Schäfke:
Helios – Ein Leuchtturm für Ehrenfeld
Köln: Emons 2011
ISBN 3897058758, 96 S., ¤ 14,90

Esch sur Alzette: Neues von den Hochöfen zu Belval

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Die Hütte Belval wurde 1991 geschlossen; zwei Hochöfen blieben als Industriedenkmale und Orientierungs- und Kristallisationspunkte eines neuen, ehrgeizigen städtebaulichen Entwurfs erhalten. Der Fonds Belval ist mit ihrer Erhaltung betraut. Im jüngsten magazine (unter downloads) 4/2011 des Fonds wird ausführlich über die laufenden Konservierungsarbeiten an den Hochöfen berichtet. In der Ausstellung in der „Massenoire“ ist dazu ein aktueller Film zu sehen.
Vorerst nicht realisiert wird dagegen aus finanzellen Gründen der geplante Bau eines „Zentrums für Industriekultur“ in einer der Gießhallen.

Die Freunde der Hochöfen („Amicale“) veranstalteten einen Festakt am 1. Dezember, Tag des Heiligen Eligius; die anlässlich des ersten Hochofenabstichs gegossene Plakette wird als Replik angeboten.