Chemnitz: Tagung „Sachsen und das Rheinland: Zwei Industrieregionen im Vergleich“ im September 2018

Das Sächsische Wirtschaftsarchiv e.V. veranstaltet am 21. und 22. September 2018 in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Technischen Universität Chemnitz und dem Industriemuseum Chemnitz das mittlerweile 9. Kolloquium zur Unternehmens- und Wirtschaftsgeschichte. Die Tagung wird, so die Initiatoren weiter, diesmal mit Sachsen und dem Rheinland zwei bedeutende deutsche Industrieregionen vergleichend in den Blick nehmen…

Der thematische Fokus liegt dabei auf regionalen Industrialisierungsprozessen und Industrialisierungspfaden, die über einen längeren Zeitraum verfolgt werden. Besonders aufschlussreich könnte der rheinisch-sächsischer Vergleich für die Transformation frühneuzeitlicher Gewerbelandschaften zu modernen Industrieregionen sein. Schließlich setzte zum einen die Industrialisierung in beiden Regionen vergleichsweise früh ein und gründete im Rheinland wie in Sachsen offenbar auf kräftigen „protoindustriellen“ Vorläufen. Zum anderen sind aber auch markante Unterschiede zwischen beiden Regionen auszumachen, so beispielweise in den politischen, finanziellen oder wirtschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Industrialisierung.

Wir bitten um Beiträge mit sächsischem und/oder rheinischem Bezug, vorzugsweise zu den im Folgenden erörterten Themenschwerpunkten und Fragestellungen; herzlich eingeladen sind zugleich aber auch Referentinnen und Referenten, die einen allgemein-theoretischen Beitrag präsentieren – etwa zu Fragen der regionalen Wirtschaftsgeschichte oder zum interregionalen Vergleich.

  1. Unter welchen Bedingungen vollzogen sich die protoindustriellenVerdichtungen in Sachsen und im Rheinland, in welcher Weise prägten siesich aus? Wurden bereits in dieser Phase ökonomische Ressourcen undinstitutionelle Arrangements – etwa die Einbindung in Handelsnetzwerke, Einrichtungen/Praktiken gewerblicher und handwerklicher Ausbildung – akkumuliert, auf denen die frühe Industrialisierung gründete? Gingen insbesondere von den protoindustriellen Exportgewerben Impulse für die frühindustrielle Entwicklung aus – etwa exogen infolge von industrieller Innovationen an konkurrierenden Produktionsstandorten, oder endogen infolge steigender Transaktionskosten?
  1. Welchen Stellenwert hatten die institutionellen Rahmenbedingungen fürden Verlauf des industriellen Transformationsprozesses? In dieser Frageperspektive fällt vor allem der markante Unterschied zwischen der frühzeitigen Einführung der Gewerbefreiheit im Rheinland gegenüber dem langen Festhalten an einer vormodernen Gewerbeverfassung in Sachsen ins Auge. Auch handelspolitische Arrangements, die den Schutz des Binnenmarktes vor auswärtiger Konkurrenz und den Zugang zu ausländischen Märkten regelten, waren von Bedeutung. Kann man in den beiden Vergleichsregionen Ansätze zielgerichteter staatliche Industrialisierungspolitik ausmachen? Welche Wirkungen erzielte solche Politik und wer waren ihre Akteure, welche spezifischen wirtschaftspolitischen Netzwerke standen hinter solchen Transformationsprozessen? Welchen Einfluss nahmen regionale Industrialisierungsdebatten auf den Gang dieser Entwicklung und welche Rolle spielte dabei Wissen – beispielsweise als praktisches Wissen, ebenso aber auch als Wissen über Märkte oder in Form von Ausbildung und Verwissenschaftlichung?
  1. Beginn und Verlauf von Industrialisierungsprozessen lassen sich amHandeln von „Wirtschaftsakteuren“ festmachen. Der Blick richtet sich dabei auf diejenigen Kaufleute, Verleger, Handwerker, Techniker, Investoren usw., die industrielle Produktionsformen zur Erwirtschaftung ökonomischer Gewinne einsetzten – und ebenso auf diejenigen, die dies nicht taten. Schlugen sich etwa die Wettbewerbsbedingungen und Marktkonstellationen, an denen die Wirtschaftsakteure ihre Vermarktungsstrategien ausrichteten, auf den Gang der regionalen Industrialisierung nieder? Gab es spezifisch regionale Konstellationen und Konzepte, in und mit denen diese Akteure agierten – gab es also etwas spezifisch „Rheinländisches“ oder „Sächsisches“ in den jeweiligen regionalen Industrialisierungsprozessen? In welchem Verhältnis standen dabei ökonomische und soziale Aspekte – wie agierten die „Wirtschaftsakteure“ in den jeweiligen Gesellschaften, was lässt sich über eine ggf. gar regional spezifische Selbst- und Fremdwahrnehmung sagen? Wo bestanden regional bedingte soziale Blockaden etwa durch adlige Eliten oder etabliertes Handwerk, mit welchen Strategien begegneten die „Wirtschaftsakteure“ diesen Blockaden?
  1. Der mit der Tagung verfolgte rheinisch-sächsische Vergleich kann sichauf Leitbranchen und -sektoren der Industrialisierung beziehen, sucht aber ebenso – und abseits gängiger Erklärungen des Phänomens Industrialisierung – nach alternativen Mustern: Folgte die Entwicklung in beiden Regionen dem „klassischen“ Muster einer von Eisenbahnbau und Montanindustrie getragenen Industrialisierung? Oder verweisen nicht gerade die Impulse, die von den protoindustriellen Exportgewerben etwa im Textilbereich oder der Kleineisenwarenproduktion ausgingen, auch auf andere Formen der Industrialisierung? Wie prägten solche regionalen Industrialisierungspfade die längerfristige Ausformung der beiden Industrieregionen?

 

Die Tagung findet am 21. und 22. September 2018 im Industriemuseum Chemnitz statt und steht unter der Leitung von Prof. Dr. Rudolf Boch, Veronique Töpel, PD Dr. Michael Schäfer und Dr. Swen Steinberg. Wir bitten bis zum 31. Dezember 2017 um Themenvorschläge (Abstract von maximal 300 Wörtern und eine Kurzbiografie) für Referate von etwa 30 Minuten Länge an folgende Adresse:

Sächsisches Wirtschaftsarchiv e.V.
Veronique Töpel, Geschäftsführerin
Industriestraße 85-95
04229 Leipzig

Tel.: 0341/919920
E-Mail: toepel@swa-leipzig.de

Eine Veröffentlichung der Tagungsbeiträge im Anschluss an die Veranstaltung ist geplant.