Archiv für den Tag: 21. Januar 2008

Dortmund: Ausstellung „Schichtwechsel“ im LWL-Industriemuseum auf Zeche Zollern beleuchtet Kohlenkrise an der Ruhr

An der Ruhr rechnete damals niemand mit der Krise: In den zehn "goldenen Jahren" nach der Währungsreform war das Revier das Kraftzentrum der Republik. 800.000 Neu-Bergleute wurden angeworben, Kleinzechen reaktiviert, Überschichten waren an der Tagesordnung. Trotzdem blieb das schwarze Gold ein knappes Gut. Als Weihnachten 1950 wegen des Energieengpasses die Lichter in Deutschland ausgingen, handelten Wirtschaft und Politik. Enorme Investitionen flossen in die Gruben, um die Kapazitäten auszuweiten. 50 neue Tagesschächte wurden in den folgenden Jahren abgeteuft, alle Zeichen standen auf Expansion. Tausende offene Stellen für Untertagearbeiter ließen 1957 noch niemanden die bevorstehende Talfahrt erahnen.

Kohleimporte aus Übersee, vor allem aber Erdöl, dessen Preis schlagartig um weit über die Hälfte fiel, machten der heimischen Kohle nun so starke Konkurrenz, dass schon 1958 riesige Halden in den Himmel ragten. Bis Ende des ersten Krisenjahres fuhren die Kumpel an der Ruhr über drei Millionen unbezahlte Feierschichten.

Zwischen 1958 und 1969 verschwanden 62 Schachtanlagen im Ruhrgebiet, mehr als 280.000 Arbeitsplätze gingen in zehn Jahren verloren. Für die Begrenzung der Krise konnten sich die Akteure in Wirtschaft und Politik nicht auf ein Konzept verständigen.1962 legte die Bundesregierung ein Sieben-Punkte-Programm vor. Zentrales Element: ein Rationalisierungsverband, der den Rückbau der Branche steuern und Subventionen in Milliardenhöhe für stillgelegte Förderkapazitäten verteilen soll. Dieses Konzept ging nicht auf, weil Konzerninteressen sich gegen Brancheninteressen durchsetzten. "Florierende Großzechen mit hoher Produktivität wurden dichtgemacht, weil die Prämien noch lukrativer waren", erläutert Gilhaus und sieht hier durchaus Parallelen zur aktuellen Nokia-Krise in Bochum.

Schon 1958 forderte die IG Bergbau die Überführung der Zechen in eine Einheitsgesellschaft und die Verstaatlichung des Bergbaus. Diese Vorstellungen brachte sie in die Konzertierte Aktion unter Bundeswirtschaftminister Karl Schiller ein. 1968 gelang die Gründung der Ruhrkohle AG auf privatwirtschaftlicher Grundlage. 52 Schachtanlagen und 29 Kokereien gehen in ihr auf.
Schon früh trugen die Bergleute ihre Wut auf die Straße. 1959 fordern 60.000 Kumpel beim Marsch auf Bonn ein Maßnahmenpaket zu ihrer sozialen Absicherung mit Mitbestimmung bei Stilllegungen, Ersatzarbeitsplätze, Entschädigung für Verdienstausfall Mitte der 1960er Jahre radikalisierte sich die Stimmung, denn der Arbeitsmarkt war inzwischen leergefegt.

Für die Ausstellung hat das LWL-Industriemuseum acht Zeitzeugen interviewt und gefilmt. Darunter Georg Zimoch, Jahrgang 1936, damals Abteilungssteiger auf den Zechen Lothringen, Erin und Prosper, dort zuletzt Nachtschichtdirektor. Er ist im Bergbau geblieben und berichtet über mehrere Verlegungen. Karl Bäcker berichtet im Interview über seine Motive, 1962 bei Opel in Bochum neu anzufangen.

Seit 1975 geriet das Ruhrgebiet in eine "doppelte Krise", denn auch in der Stahlindustrie begann der Rückbau. Sehr langsam und mit hohem finanziellen Einsatz entstand das neue Revier, das sich von der Schwerindustrie löste. Der Dienstleistungssektor übernahm die Führung, neue Schlüsselindustrie wurde der Maschinenbau. Eine dichte Hochschullandschaft entstand, Technologiezentren sind heute das Scharnier zur Wirtschaft. Am Beispiel der Stadt Dortmund zeigt die Schau, wie sich die Stadt verändert hat, was aus den alten Zechenstandorten geworden ist und welche Rolle Kulturschaffende beim Entstehen eines neuen Lebensgefühls im Revier gespielt haben.

Schichtwechsel. Die Kohlenkrise an der Ruhr 1958 -1969
20. Januar (Eröffnung 11 Uhr) bis 6. April 2008
LWL-Industriemuseum Zeche Zollern
Grubenweg 5, 44388 Dortmund
Geöffnet Di – So 10-10 Uhr

Foto: Arbeitsloser Bergmann in Gelsenkirchen vor dem Fördergerüst der Zeche Graf Bismarck, 1966. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Kurt Rohwedder
(Text und Foto: LWL-Pressestelle)

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Bremerhaven: Tagung „Schiffbaugeschichte“ im Deutschen Schiffahrtsmuseum

Fachleute aus Wissenschaft und Technik referieren über Weserlastkähne der Frühen Neuzeit, Leistungsanalysen zu historischen Schiffen, eine neue Datenbank zur Erfassung von Schiffsdaten, die historische Binnenschifffahrt auf der Elbe, ein Tragflügelboot, den Flettner-Rotor als wiederentdeckten alternativen Schiffsantrieb, den deutschen Beitrag zur Entwicklung des U-Bootes, die Geschichte der Howaldtswerke, die Unternehmenskultur von Blohm + Voss in Vergangenheit und Gegenwart sowie schließlich über die Bilder des Marinemalers Jochen Sachse.Veranstaltet wird die Tagung vom Fachausschuss "Geschichte des Schiffbaus" in der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) und dem Deutschen Schiffahrtsmuseum. Das Programm wird straff durchgeführt, für jeden Vortrag stehen 20 Minuten zur Verfügung, anschließend ist 10 Minuten Zeit zur Diskussion.Die Tagungsgebühren betragen EUR 20,00 für Mitglieder der STG und des Fördervereins des DSM, für Studenten EUR 10,00 und für alle übrigen Teilnehmer EUR 30,00. Darin enthalten ist auch der Eintritt in das DSM.Unterlagen für die Anmeldung bis spätestens zum 15. Februar 2008 können per Post beim Deutschen Schiffahrtsmuseum, Herrn Kiedel, 27568 Bremerhaven, oder per E-Mail (kiedel@dsm.museum) angefordert werden. Eine telefonische Anmeldung ist nicht möglich.

www.deutsches-schiffahrtsmuseum.de

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Daun/Gerolstein: „Schläfer“ in der Eifel ‑ Symposium zum Lava-Abbau und Landschaftsschutz

Gleichzeitig wird die Eifel als weitgehend intakter, naturnaher Erholungsraum gesehen mit großem touristischem Potential. Gerade über den Tourismus werden neue Wertschöpfungsketten generiert.

Damit stehen die beiden Wirtschaftsfelder ‚Lava-Abbau‘ und ‚Eifel-Tourismus miteinander in Konkurrenz. In welcher Relation stehen sie zueinander? Was sind ihre Grundlagen, ihre wirtschaftlichen Potentiale? Was wird derzeit wo erwirtschaftet?

Um diese Fragen drehte sich ein eintägiges, hochkarätig besetztes Symposion, das der Kreisverband Daun am 27. Oktober in Gerolstein/Vulkaneifelkreis veranstaltete. Rund 90 Teilnehmer fanden den Weg in die Stadthalle ‚Rondell‘. (siehe Ankündigung der IK-online)

In seinem Grußwort dankte der Landrat des Vulkaneifelkreises, Heinz Onnertz, dem Kreisverband Daun, dass er sich dieses wichtigen und kontroversen Themenkreises angenommen hat und ihn mit dieser Veranstaltung wieder einmal in die Öffentlichkeit rückt. Er beklagte die ungerechte Verteilung der Lasten und Erträge aus dem Lavaabbau und verwies auf den geringen Investitionsstock der kleinen Abbauunternehmen.

Der Vorsitzende des RVDL, Dr. Norbert Heinen, hob hervor, wie der RVDL mit derartigen Veranstaltungen Kommunikations-Plattformen bietet, um den Dialog zwischen Bürgern, Politik und Wirtschaft voranzutreiben.

Im Verlauf der Veranstaltung konnten mit diversen Fachreferaten naturräumliche und wirtschaftliche Aspekte von Lava-Abbau und Tourismus erörtert werden.

Einleitend führte Prof. Hans Erkert, KV Daun, eindrücklich den schon erreichten Stand der Landschaftszerstörung vor Augen und wies bei einem Vergleich der beiden Wirtschaftsfelder ‚Gesteinsabbau‘ und ‚Tourismus‘ nach, daß im Tourismus mittlerweile 10 mal mehr Arbeitsplätze entstanden sind als im Gesteinsabbau, die erwirtschafteten Umsätze im Tourismus sind noch wesentlich höher.

In seinem Vortrag über das Vulkanfeld der Westeifel hob Prof. Georg Büchel, Uni Jena, hervor, dass dank der guten Zusammenarbeit mit den gesteinsabbauenden Firmen exzellente Forschungs- und Dokumentationsbedingungen in der Eifel bestehen. Er stellte darüber hinaus neue Forschungsergebnisse vor, wonach die Vulkankörper unersetzliche Wasserspeicher darstellen, deren Abbau weitreichende Folgen für Mineralquellen und Wasserversorgung der Bevölkerung haben kann.

PD Dr. Bodo Moeseler, Uni Bonn arbeitete die Wirkung des Menschen an der heutigen Kulturlandschaft Eifel heraus.

Der Direktor des Landesamtes für Geologie und Bergbau RLP, Prof. Harald Ehses, machte die rechtlichen Grundlagen des Gesteinsabbaus deutlich, während Dr. Michael Wuttke, GDKE Mainz,  Erkenntnisse aus dem Lavaabbau und deren Nutzung für den Tourismus am Beispiel Wartgesberg/Strohn erläuterte. 

Den wirtschaftlichen Segen des ‚Bruchzinses‘ aus dem Lava-Abbau erläuterte der Ortsbürgermeister Horst Kolitsch am Beispiel seiner Gemeinde Walsdorf-Zilsdorf.

Unter dem Stichwort ‚Landschaftsästhetik und Tourismuspotential‘ begründete Dipl.-Ing. Dieter Klöppel, Uni Aachen, dass für den Tourismus die intakte, harmonische Landschaft mit entsprechenden Blickachsen und Raumbezügen von hervorragender Bedeutung ist.

Schließlich konnte Klaus Schäfer, Geschäftsführer der Eifel Tourismus GmbH, die zunehmende Bedeutung des Tourismus für die Eifel aufzeigen, wobei der Geotourismus ein Alleinstellungsmerkmal der Vulkaneifel im Reigen der deutschen Urlaubslandschaften darstellt, ohne daß man diesen Teil des Tourismus tatsächlich quantifizieren kann.

An der abschließenden, teilweise kontrovers geführten Podiumsdiskussion nahm das Auditorium rege Anteil: so erläuterte der Vertreter des BUND, Norbert Leinung, das fortdauernde  Abbaurecht auch für derzeit stillgelegte Gruben und bezeichnete diese ‚Schläfer‘ als zusätzliche, bislang kaum wahrgenommene Gefahr für den nachhaltigen Landschaftsschutz, dem die Verwaltung wenig entgegenzusetzen hat. Prof. Büchel betonte, dass die derzeitige Abbauintensität zu hoch ist und nachhaltigere Formen der Wertschöpfung beim Abbau vulkanischer Gesteine erreicht werden müssen. Die dazu notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen fehlen jedoch noch. Der Vertreter der KV Daun, RD Uli Diederich hob hervor, dass der Kreistag schon vor längerem den Beschluss gefasst hatte, keine neuen Gruben mehr zu erschließen, was aber leider nicht in der Zuständigkeit dieses Gremiums liege. Einige Bürger schilderten ihre Betroffenheit angesichts der mit dem Lava-Abbau verbundenen Umweltbelastungen einschließlich des Schwerlastverkehrs und der fehlenden Mitsprachemöglichkeiten bei der Erweiterung bestehender und neuer Abbaugenehmigungen, die ausschließlich über das zuständige Landesamt für Geologie und Bergbau erfolgen.

Insgesamt war es eine gelungene Veranstaltung, die zeigte, dass der RVDL als kritischer Moderator in dem Kommunikationsdreieck von Bürgern, Politik und Wirtschaft durchaus eine wichtige Rolle spielt und in Zukunft dieses Thema auch weiter verfolgen muss.

Sibylle Bauer

Rheinischer Verein, Kreisverband Daun

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Lavasand-Tagebau oberhalb des Kylltals bei Hillesheim, Vulkaneifelkreis. Die 23 ha große Grube soll künftig um 19 ha erweitert und unter Vertiefung auf 90 m unter Geländeoberkante in einen Basaltbruch umgewandelt werden. In weniger als einem km Entfernung liegen zwei weitere Lavagruben und ein aufgelassener Basaltbruch in der aus zwei Schichtvulkanen mit zwischenliegendem Trockenmaar gebildeten Hügellandschaft. Nur zwei  km östlich davon ist der einst weithin landschaftsprägende Vulkankegel des Goßbergs bei Walsdorf  inzwischen der öden Kraterlandschaft einer weiteren Lavagrube gewichen. Diese Beispiele repräsentieren nur einen kleinen Ausschnitt aus der gegenwärtig rapiden und nachhaltigen großräumigen Zerstörung einer über Jahrhunderte gewachsenen einzigartigen naturnahen Kultur- und Erholungslandschaft in Deutschland. (Foto: H. Erkert)

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