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Ein Leben für die Industriekultur | Helmut Bönnighausen verstorben

Bereits am Neujahrstag 2022 verstarb Helmut Bönnighausen nach schwerer Krankheit in Münster. Der langjährige Direktor des LWL-Industriemuseums (1982-2005), am 10. Januar 1943 in Liegnitz in Schlesien geboren, wuchs in Oberhausen auf. Während seines Architektur-Studiums an der TH Aachen befasste er sich bereits mit den Arbeiterkolonien des heimatlichen Ruhrgebiets. Seine Dissertation zur Paderborner Kaiserpfalz  blieb ein unvollendetes Projekt, denn 1973 trat der junge Diplom-Ingenieur eine Planstelle im neu gegründeten Referat Technische Kulturdenkmale (TKD) des Westfälischen Amts für Denkmalpflege an; 1975 übernahm er die Leitung.

Industriedenkmalpflege war damals Neuland. Helmut Bönnighausen erweiterte den herkömmlichen Denkmalbegriff und bezog stillgelegte Zechen, Fabriken und Verkehrsbauten, Arbeitersiedlungen und Industriellenvillen ein. Mit dem Erhalt von Arbeiterkolonien im Ruhrrevier vertiefte er sein Interesse an der Sozialgeschichte der Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung. Mit hartnäckigem Engagement unterstützte er Bürgerinitiativen im Ruhrgebiet in ihrem Kampf gegen großflächige Abbruchpläne von Zechensiedlungen.

Das Problem, auch Baudenkmalen eine Zukunft zu ermöglichen, die sich nicht für eine kommerzielle Nachnutzung eigneten, ließ im TKD-Referat und im Landschaftsverband-Westfalen Lippe (LWL) die Idee zu einem Westfälischen Industriemuseum entstehen, die 1979 zur Museumsgründung führte. Im Vorfeld hatte Helmut Bönnighausen hartnäckige Überzeugungsarbeit bei den politisch Verantwortlichen geleistet. Als passionierter Denkmalpfleger bewarb er sich zunächst nicht für die Leitung des neuen Instituts, ließ sich 1982 aber in die Pflicht nehmen, als das Projekt zu scheitern drohte.

Das dezentrale Museum sollte die wesentlichen Industriebranchen in den Regionen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) einbeziehen. Schwerpunkt wurde das Ruhrgebiet mit drei Steinkohlenzechen und dem Schiffshebewerk Henrichenburg. Für Ostwestfalen stand eine Glasfabrik, für Lippe eine Ringofen-Ziegelei. In Bezug auf die Textilbranche im Westmünsterland musste eine Sonderlösung akzeptiert werden. Da in Bocholt kein Denkmal  zur Verfügung stand, ließ Bönnighausen eine „Museumsfabrik“ errichten, einen Neubau nach regionalen Vorbildern. Damit verbunden war seine Hinwendung zu einer musealen Industriedenkmalpflege. Mit der historischen Spinnerei Herding erhielt das Textil-Werk Bocholt im Frühjahr 2005 sein endgültiges Gesicht. Die Eisen- und Stahlherstellung sollte ursprünglich im Siegerland dokumentiert werden. Der Plan, ein Hüttenwerk in Siegen-Geisweid ins Industriemuseum zu übernehmen, scheiterte allerdings am Unverständnis der lokal Verantwortlichen, die den historischen Hochofen vorschnell abbrechen ließen. Erst 1989 beschloss der LWL mit der Aufnahme der Hattinger Henrichshütte in sein Industriemuseum einen vollwertigen Ersatz.

Bönnighausens Vorbild für die Arbeit eines Museums waren die großen Industriemuseen in England. Dokumentation, Interpretation und Schauproduktionen sollten auch das Industriemuseum in Westfalen-Lippe auszeichnen. Mit Hingabe kümmerte er sich um den Aufbau einer stattlichen Flotte von historischen Binnenschiffen; Schaufahrten von Dampfschleppern faszinierten bald ein großes Museumspublikum.

Mit Überzeugungskraft und persönlichem Charisma konnte Helmut Bönnighausen seine Gesprächspartner – vom Handwerker bis zum einflussreichen Politiker – immer wieder für sein Lebenswerk begeistern. Für die wachsende Schar seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war er stets ein verständnisvoller Ansprechpartner und geduldiger Zuhörer, der sich durch innovative Ideen gerne herausfordern ließ. Auch weit über Westfalen-Lippe hinaus war er ein geschätzter Berater und hat mit großer Sachkunde einzelne Projekte gefördert, z.B. das Europäische Industriemuseum für Porzellan in Selb sowie nach 1989 mehrere Initiativen in den „neuen Bundesländern“, in Tschechien und in Polen und nicht zuletzt diese Zeitschrift.

Thomas Parent, Dortmund