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Berlin: Aufruf zur Rettung der Ziegelei Glindow

„Die Gesellschaft für Bautechnikgeschichte ist darauf aufmerksam geworden, dass der Betrieb der Ziegelei-Manufaktur Glindow eingestellt werden soll, die einen seit 1866 bestehenden Ringofen betreibt.

Dieser von Friedrich Eduard Hoffmann und Julius Albert Licht 1858 zum Patent angemeldete Ofentyp war ab den 1860er Jahren bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts einer der tragenden Pfeiler des Baugewerbes, nicht nur in Brandenburg und Berlin. Durch die geschickte Anordnung der Abläufe um einen zentralen Schornstein war es den Erfindern gelungen, einen kontinuierlichen Brennprozess zu ermöglichen. Im Vergleich zu einem konventionellen Ofen, der nach jedem Brand auskühlen musste, verringerte sich der Brennstoffverbrauch damit auf etwa ein Drittel. Diese Brennstoffeinsparung war eine wesentliche Voraussetzung für die massenhafte Produktion von Ziegeln, die besonders ab der Gründerzeit den Ausbau der Städte in ganz Deutschland ermöglichte. Wie der Ofeningenieur Otto Bock 1894  konstatiert, hatte „der Ringofen […] das ganze Ziegeleigewerbe umgestaltet; er hat es erst zu einer den anderen Industrien ebenbürtigen Stellung erhoben“.1

Der Ausbau einer Stadt wie Berlin, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts jährlich etwa 500 Millionen Ziegel verschlang, ist ohne die Erfindung des Ringofens nicht denkbar. Diese immense Menge an Baumaterial wurde über ein ausgefeiltes Logistiknetz per Schiff über die Wasserstraßen angeliefert. Die „Ziegeleimanufaktur“ steht als letztes Zeugnis nicht nur für die am Glindower See situierten, sondern allgemein für die hunderte von Ziegeleien, die an den Wasserwegen Berlins lagen und den besonders im späten 19. Jahrhundert beschleunigten Ausbau der Stadt ermöglichten. Obwohl die Anzahl der Ringöfen in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf etwa 4000 geschätzt wurde,2hat sich nur ein verschwindend kleiner Anteil davon erhalten, von denen kaum noch einer in Betrieb ist.

Die Ziegelei-Manufaktur Glindow mit ihrem bis heute dauernden Betrieb ist damit nicht nur ein materielles, sondern auch immaterielles Zeugnis einer wichtigen und grundlegenden Entwicklung der Ziegeleitechnik, deren Bedeutung über die reine Technikgeschichte weit hinausreicht. Die durch die aktuelle wirtschaftliche Lage erzwungene Einstellung ihres Betriebes wäre sehr zu bedauern.

Die Gesellschaft für Bautechnikgeschichte appelliert deshalb an alle Verantwortlichen, mögliche Unterstützer*innen und Kund*innen wie auch Presse und Öffentlichkeit sich mit allen Kräften für den Weiterbetrieb der Ziegelei-Manufaktur Glindow zu engagieren.“

  1. Bock, Otto: Die Ziegelfabrikation. Handbuch bei Anlage und Betrieb von Ziegeleien.Achte Auflage von Fr. Neumanns Ziegelfabrikation in völli-ger Neubearbeitung. (Neuer Schauplatz der Künste und Handwerke, Band 34). Weimar: Voigt, 1894, S. 278.2N. N.: In Deutschland. In: The Clay-Worker, Band 25–26, 1896, Band 25: S. 227–230, 348–350, 433–437, 542–544, Band 26: 16–19, 111–113, 191–193, 272–275, 355–358, 441–444. Hier Band 26, S. 192.

Medienbericht:

Nach 563 Jahren Ziegelbrennerei vor den Toren Berlins: Am Glindower See muss der letzte Ringofen erkalten – Berlin – Tagesspiegel [1]

Foto: Wachturm Ziegelei Glindow, CC BY-SA 4.0_wikimedia commons_Autor Clemensfranz