Essen: Industriekultur-Heft 2.20 erschienen: Schwerpunkt Maschinenbau

Der deutsche Maschinenbau zählt – im Gegensatz zur ähnlich bedeutenden Automobilindustrie – für viele Menschen zu den großen Unbekannten. Dabei gründet der deutsche Export wesentlich auf dieser Branche. Etwa 80 Prozent ihrer Produkte liefert sie in das Ausland. Traditionell kommen Druck- und Werkzeugmaschinen sowie Fördertechnik (siehe IK 4.05, Schwerpunktthema) ebenso aus Deutschland wie Pumpen, Turbinen, Elektromotoren und Transformatoren…

Dazu kommt eine fast unübersehbare Vielfalt von Maschinen für spezielle Produktionen. So wird Meltblown, ein in der Corona-Pandemie knapp gewordener Vliesstoff für Mundschutz, auf Maschinen der Firma Reifenhäuser in Troisdorf hergestellt. 1911 als Schmiede gegründet, präsentierte Reifenhäuser 1948 seinen ersten Extruder für die Kunststoffverarbeitung und begann 1973 mit der Entwicklung der Spinnvliestechnologie. Sie dauerte zwölf Jahre! Doch das große Thema des Maschinenbaus kann dieser Schwerpunkt nur anreißen; dank des Einsatzes von Norbert Gilson ist daraus aber eine runde Sache geworden.

Mit dem Titelfoto geben wir auch einen Ausblick auf den eng mit dem Maschinenbau verbundenen Anlagenbau. Die Branche, die unter anderem Hüttenwerke, Chemiefabriken und Kraftwerke ausrüstet, soll in einer der nächsten Ausgaben Thema werden. Dabei wird es auch um die Firma Borsig in Berlin gehen, die Kessel und andere Behälter ebenso herstellte wie Kompressoren. Unter dem Namen GHH-Borsig baute das in Tegel ansässige Werk der Babcock-Borsig AG – wie die GHH in Oberhausen  Einwellen-Turboverdichter (siehe S. 14), darüber hinaus zudem selbstkonstruierte Mehrwellen-Turboverdichter des Typs Belair. Zum Thema Anlagenbau gehören auch die vielfach von deutschen Firmen errichteten Kernkraftwerke. Die letzten in Deutschland werden 2022 abgeschaltet. Im Hinblick darauf hatten Technische Universität und Deutsches Technikmuseum in Berlin zusammen mit Icomos und TICCIH im Oktober 2017 eine internationale Fachtagung zu den Denkmalpotenzialen von Kernkraftwerken veranstaltet; die entsprechende Publikation gibt es hier: www.icomos.de. Inhaltlich und ästhetisch außergewöhnlich bestechend hat Bernhard Ludewig das Thema mit dem Buch „Der nukleare Traum“ eingefangen (siehe S. 63).

An manchen Stellen führte das auf reges Interesse stoßende Schwerpunktthema „Auf schmaler Spur“ in der IK 1.20 zu Irritationen, nicht nur weil die Spurweite für die Schmalspurbahnen in der Prignitz versehentlich mit 600 Millimetern angegeben war. Tatsächlich fährt der „Pollo“ auf 750 Millimetern. Größeren Forschungsbedarf gibt es dagegen noch bei dem Feldbahn-Ausrüster Orenstein & Koppel (später international bedeutende Fahrzeug- und Maschinenfabrik), weil der im Schwerpunkt angegebene Gründungsort „Schlachtensee bei Berlin“ viele überraschte (sie hielten „Berlin“ für korrekt). Gilt doch der idyllische Villenvorort am Südrand des Grunewalds nicht als Industriestandort. Max Orenstein hatte sich am 1874 mit der Alten Wannseebahn eröffneten Bahnhof Schlachtensee niedergelassen, stellte Loren und anderen Feldbahnbedarf her und gründete hier 1892 die Märkische Lokomotiv-Fabrik – mit einer ansehnlichen Fabrikhalle. Schon vorher hatte er laut Eintrag des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs e.V. (www.bb-wa.de) für das Unternehmen seines Bruders Benno produziert, der 1876 die oHG Orenstein & Koppel in Schlachtensee als reines Handelsunternehmen gegründet hatte. So steht es jedenfalls in dem Eintrag zu Benno Orenstein in der Deutsche Biographie. 1885 trennten Orenstein und Arthur Koppel sich – und ersterer nahm unter anderem seinen Bruder Max als Teilhaber auf. 1898 wurde die Märkische Lokomotivfabrik an die AG für Feld- und Kleinbahnbedarf vormals Orenstein & Koppel (O&K) seines Bruders Benno verkauft. Anschließend stellte O&K die Produktion am Standort Schlachtensee ein und verlagerte sie in das 1899 eröffnete Werk am Bahnhof Drewitz in Potsdam-Babelsberg (siehe S. 50). Die detaillierten Zusammenhänge aber müssten noch erforscht werden.

Sven Bardua und die Redaktion
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Inhalt des Schwerpunktteils:

Norbert Gilson:
Maschinenbau – die Emanzipation von Handarbeit und Naturkräften, S. 2–5

Jürgen Kabus:
Chemnitz – Wiege des deutschen Werkzeugmaschinenbaus, S. 6–7

Wolfgang Burghardt:
Vomag – die vergessene Weltfirma aus dem Vogtland, S. 8–9

Sven Bardua:
Kampnagel – eine Hamburger Maschinenfabrik, S. 10–13

Marcus Rischmüller:
Kompressorenbau bei der Gutehoffnungshütte, S. 14–15

Alexander Kierdorf:
Papiermaschinen von Voith – ein beispielhaftes Kapitel des deutschen Maschinenbaus, S. 16–17

Norbert Gilson:
Neptun als Motor – Elektromaschinenbau bei Garbe, Lahmeyer & Co., S. 18–19

Jochen Buhren:
Die Anfänge des Textilmaschinenbaus in der Grenzregion Aachen-Verviers, S. 20-22