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Mainz: ZDF setzt Wirtschafts-Clan-Reihe fort mit Lidl, Adidas und Bahlsen


Die Namen der Unternehmen oder Marken kennen viele, doch die Männer und Frauen, die hinter den Kulissen die Firmen lenken, sind weitgehend unbekannt. Wer sind sie? Wer hat die Unternehmen gegründet, aufgebaut und fortgeführt? Wie gelingt der Weg in die Zukunft? Die Doku-Reihe erzählt Firmen- und Familienhistorien, die immer auch ein Stück deutsche Zeitgeschichte sind…

Nach Oetker, C&A, Haribo und Tchibo 2016, Henkel, Aldi, Otto und Volkswagen 2017 widmet sich die Doku-Reihe „Deutschlands große Clans“ der Redaktion Zeitgeschichte nach eigenen Angaben im Jahre 2018 den Unternehmen Lidl, Adidas und Bahlsen.

Wie kommt es, dass in Deutschland so viele familiengeführte Unternehmen seit Jahrzehnten erfolgreich sind? Was ist das Geheimnis der Clans? Wie gelingt es ihnen, ihre Unternehmen durch Höhen und Tiefen zu steuern? Ist ihr Modell anderen Großfirmen überlegen? Wie wirken sich familieninterne Streitigkeiten, Generationenwechsel und Schicksalsschläge auf die Konzerne aus? Welche Opfer verlangt der Aufstieg den Clanmitgliedern ab?

Die Doku-Reihe zeigt, wie unterschiedlich sich die Familien in die Unternehmen einbringen, wie sie Krisen bewältigen und welche Strategien sie entwickeln, um das Überleben der Firma und die Zukunft der Sippe zu sichern. Wirkt der Nimbus der Gründerväter noch immer? Eifern die folgenden Generationen ihnen nach oder gehen sie bewusst eigene Wege? Meist scheuen gerade die Nachkommen die Öffentlichkeit, wollen ihr Privatleben schützen. Die Filme blicken hinter die Kulissen der Großkonzerne und zeichnen verblüffende und anekdotenreiche Porträts jener Männer und Frauen, die ihre Unternehmen prägten und prägen.

Leicht ist es noch nie gewesen, die Geschichte der großen deutschen Familienunternehmen zu erzählen. Wie nähert man sich scheuen Clanmitgliedern, die lieber unerkannt bleiben wollen und nie oder nur in Ausnahmefällen vor die Kamera treten? Wie gelingt es, Nähe und Vertrauen zu den Unternehmerfamilien herzustellen, Zugang zu Firmen- und Privatarchiven zu erlangen, ohne dabei zum „Hofberichterstatter“ zu werden? Wie bewahrt man sich die notwendige journalistische Distanz, berichtet von Familienzwist, Intrigen und Unregelmäßigkeiten, ohne dass sich bei den Konzernen alle mühsam geöffneten Türen wieder verschließen?

In den ersten beiden Staffeln der Doku-Reihe „Deutschlands große Clans“ ist dies gelungen, obwohl Firmen wie C&A, Tchibo oder Henkel die Autoren vor schwierige Herausforderungen gestellt haben. Dennoch sind dank Beharrlichkeit, großem Einfühlungsvermögen und journalistischer Kompetenz der Autoren Filme entstanden, die nicht nur bei einem großen Zuschauerkreis Gefallen gefunden haben, sondern auch beim Fachpublikum: Zwei Dokus der ersten Staffel wurden 2017 mit dem „Deutschen Wirtschaftsfilmpreis“ ausgezeichnet.

In der dritten Staffel unserer Reihe aber mussten die Filmemacher besonders hohe Hürden überwinden. Allen voran die „Lidl-Story“ stellte die Autoren vor eine beinahe unlösbare Aufgabe: Wie gelingt ein Film über einen Konzern, von dessen Gründer nur zwei Fotos existieren? Wie recherchiert man die Geschichte eines Clans, über den es so gut wie keine Literatur gibt, über den kaum einer sprechen will und dessen Angehörige jeden Kontakt zu Medien ablehnen? Wie unterscheidet man Wahrheit von Legende?

Auch bei der „Adidas-Story“ galt es, die „Spreu vom Weizen zu trennen“. Der Konflikt der Gründerfiguren von Adidas und Puma, der Brüder Adolf und Rudolf Dassler, wurde schon oft dokumentiert und verfilmt. Doch hat sich bei weitergehenden Recherchen in den Archiven manche kolportierte Geschichte schlicht als „Ente“ erwiesen. Dokumente, Fotos und Originalaufnahmen aus Filmarchiven zeichnen eben manchmal ein anderes Bild als Firmen-PR oder Familien-Überlieferungen. Zudem stützt sich der Film auf Ergebnisse einer wissenschaftlichen Forschergruppe, die im Auftrag des neuen Managements des Unternehmens die Firmengeschichte aufgearbeitet hat. So rückt die Dokumentation erstmals das Wirken Horst Dasslers, des Sohnes von Adi Dassler, in den Vordergrund. Dank geschickter Außenpolitik, auch über Blockgrenzen hinweg, baute er Adidas noch weiter zur Weltmarke aus. Doch entstand dabei auch ein System der Begünstigung und Korruption.

Bei Bahlsen lag die Herausforderung darin, untereinander zerstrittene Clanmitglieder zur Geschichte ihres Familienunternehmens zu befragen.

Die Ergebnisse monatelanger Recherchen von Annebeth Jacobsen, Frank Diederichs („Die Lidl-Story“), Uli Weidenbach („Die Adidas-Story“) und Heike Nelsen („Die Bahlsen-Story“) können dazu beitragen, nicht nur die mitunter unübersichtlichen Wirtschafts- und Familienverhältnisse hinter den Firmen zu veranschaulichen, sondern auch ein Stück deutscher Zeitgeschichte zu erzählen.

Von Stefan Brauburger, ZDF-Redaktionsleiter Zeitgeschichte

 

Ausstrahlung:

jeweils Dienstags, 20.15 Uhr:

  1. September (Lidl)
  2. Oktober (adidas)
  3. Oktober 2018 (Bahlsen)