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Essen: Ausstellung: „Josef Stoffels. Steinkohlenzechen – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“ vom 22. Januar bis 2. September 2018 im Ruhrmuseum

Bottrop-ProsperII [1]
Mit rund 160 Fotografien von 60 Steinkohlenzechen und über 250 weiteren, teilweise bislang unveröffentlichten Fotografien zum Bergbau sowie Auftragsarbeiten und privaten Aufnahmen des Essener Industrie- und Dokumentarfotografen Josef Stoffels präsentiert die Ausstellung nach Angaben des Museums einen der bedeutendsten Fotografen und Dokumentaristen des Bergbaus im Ruhrgebiet…

Stoffels hat in den 1950er Jahren so gut wie alle der damals existierenden 150 Klein- und Großzechen im Ruhrgebiet, aber auch in Niedersachsen und im Aachener Raum fotografiert und 1959 im Bildband „Die Steinkohlenzechen. Ruhr, Aachen, Niedersachsen. Das Gesicht der Übertageanlagen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts“ veröffentlicht. Damit hat er ein Inventar des Steinkohlenbergbaus auf dem Höhepunkt seiner Produktion erstellt und der Kohlenförderung ein einmaliges Denkmal gesetzt.

In der Ausstellung werden mehr als 300 Fotografien gezeigt. Im Mittelpunkt stehen ca. 160 Aufnahmen von 60 Zechen, die in den 1950er Jahren auf dem Höhepunkt des Bergbaus im Ruhrgebiet bzw. unmittelbar vor der Bergbaukrise entstanden. In den zehn seitlichen Kabinetten des Ausstellungsraumes werden zum einen die dem Bergbau verwandten Themen wie Lehrlingsausbildung, Sammellager für Bergleute, betriebliche Einrichtungen, Siedlungen und Bergmannskotten ausgestellt, die Stoffels ebenfalls fotografierte. Zum Anderen sind Auftragsarbeiten für die Industrie, die Essener Messe und das Ruhrlandmuseum zu sehen. Als freier Fotograf dokumentierte er zudem das Stadtbild von Essen, vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit der Stadt und dem Münster in Trümmern und unter britischer Besatzung. Die Ausstellung erschließt einen der wichtigsten fotografischen Bestände zum Bergbau und stellt auch mit persönlichen Portraits, Familienportraits, den Apparaten, mit denen Stoffels fotografiert hat, sowie den von ihm herausgegebenen Bildbänden einen der bedeutendsten Fotografen des Ruhrgebietes vor.
Stoffels‘ Motivation war die Begeisterung für die Dimension und die Bedeutung des Industriezweiges, der die Welt des damals schon im sechsten Lebensjahrzehnt befindlichen Fotografen bestimmt hatte. Und so dokumentierte er die Steinkohlenzechen im Revier in der Zeit vom Kohleboom zur Kohlekrise mit dem Ziel, eine „Enzyklopädie der Steinkohlenzechen“ zu schaffen. Die finanzielle Unterstützung für sein kostspieliges und für die damalige Zeit ungewöhnliches Vorhaben, ausschließlich in Farbe zu fotografieren, blieb jedoch zunächst aus. Von 1956 an verfolgte er sein Projekt in Schwarzweiß-Fotografien weiter und brachte 1959 den Bildband „Die Steinkohlenzechen“ mit 196 Fotografien heraus. Endlich gab es eine dokumentarische Publikation für die Bergbauindustrie und alle Interessierten. Stoffels‘ Bildband erschien in jenem Moment, in dem die Kohlenförderung völlig unverhofft und für die Zeitgenossen kaum vorstellbar in Bedrängnis geriet. Er war ein großes Fanal für die Welt des Bergbaus vor dem Hintergrund ihres beginnenden, aber noch nicht geglaubten, geschweige denn akzeptierten Niedergangs. So vielfältig die Steinkohlenbergwerke waren, die Stoffels fotografierte, so vielfältig waren seine fotografischen Annäherungen an die Zechen. Er fotografierte mit Kleinbild, Mittelformat und Großbild, inszeniert oder spontan, aus unterschiedlichen Perspektiven, mit unterschiedlichen Bildmustern und ohne bevorzugte Topoi.

Die Ausstellung zeigt im Kapitel Steinkohlenzechen ganz bewusst beide Phasen von Stoffels‘ Zechenprojekt, sowohl die Farbaufnahmen aus der ersten Werkphase von 1952 bis 1954, die die Modernität der Anlagen zeigten, als auch die Schwarzweiß-Aufnahmen, die zwischen 1956 bis 1959 entstanden und in besonderem Maße unserem ästhetischen Empfinden der Welt der 1950er Jahre entsprechen. Die Zechenfotografien werden in Einzelbildern und Serien sowie in kleinformatigen Abzügen aus den 1950er Jahren präsentiert, darunter erstmals auch damals nicht veröffentlichte Zechenmotive. Anstatt alle Zechenfotografien zu zeigen, konzentriert sich die Ausstellung auf kleinere und größere Serien zu einer Zeche, um sich ihr multiperspektivisch zu nähern. Alle Fotografien werden – falls vorhanden – in Abzügen aus der Zeit ihres Entstehens gezeigt, ansonsten wurden Reprints auf Grundlage der Negative oder Dias erstellt.

Stoffels‘ Kleinbild-Diabestand erweist sich als ergiebiger Fundus mit bislang unveröffentlichten Aufnahmen der Arbeit unter Tage und weiteren Themen aus der Welt des Bergbaus. Diese Neuentdeckungen werden in den Kapiteln Berglehrlinge, Bergbau-Durchgangslager Heisingen (Einrichtung zur Aufnahme der angeworbenen Bergleute), Betriebliche Sozialfürsorge im Steinkohlenbergbau und Bergarbeiterwohnheime und -siedlungen gezeigt. Sie stellen aufschlussreiche Ergänzungen zu den bisher bekannten, überwiegend menschenleeren Zechenaufnahmen dar. Zu Stoffels’ Auftraggebern zählten auch die Stahlindustrie und andere Wirtschaftsunternehmen. Im Kapitel Industrie und Werbung werden sie in umfangreichen Serien und Einzelbildern vorgestellt. Ebenso zu sehen sind im Kapitel Auftragsarbeiten für die britische Militärregierung Porträts von Militärangehörigen, aber auch informelle Freizeitaufnahmen. Als freier Mitarbeiter fotografierte Stoffels Exponate, Ausstellungen und kulturgeschichtlich relevante Gebäude, die im Kapitel Museumsdokumentation präsentiert werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er diese Tätigkeit für das Ruhrlandmuseum fort. Ein Thema, das Stoffels neben den Zechen zeitlebens fesselte, waren die Stadtansichten von Essen, die im gleichnamigen Kapitel zu sehen sind. Ohne Beauftragung fotografierte er seit den 1930er Jahren die Stadt Essen, vor allem die Zerstörungen und den Wiederaufbau sowie immer wieder den Grugapark. Zeugnisse aus dem Leben von Josef Stoffels werden im letzten Kapitel Biografische Stationen präsentiert: Selbstinszenierungen als Fotograf mit seinen Kameras und als Sportler, private Familienfotografien und die Mappe mit den zur Meisterprüfung eingereichten Aufnahmen runden das Bild des Fotografen ab.

Die Ausstellung interpretiert die Fotografien aus der Sicht des Endes des Bergbaus noch einmal neu und zeigt Josef Stoffels als einen der bedeutendsten Chronisten des Ruhrgebiets. Die Stoffels-Ausstellung reiht sich in die Reihe der Retrospektiven der Klassiker der Ruhrgebietsfotografie ein, die mit „Heinrich Hauser. Schwarzes Revier“ und „Chargesheimer. Die Entdeckung des Ruhrgebiets“ begonnen hat und 2018 mit der Ausstellung „Albert Renger-Patzsch. Die Ruhrgebietsfotografien“ fortgeführt wird. Zugleich bedeutet sie eine Zuwendung zur eigenen Sammlung. Denn der Erwerb der Fotografien von Stoffels 1985 mit Hilfe der Kulturstiftung NRW steht am Anfang und bildet eine wichtige Grundlage des Fotoarchivs des Ruhr Museums.

Der Essener Josef Stoffels (1893-1981) war zunächst kein professioneller Fotograf. Der ausgebildete Polsterer begann in den 1910er Jahren als engagierter Amateur zu fotografieren. In den 1930er Jahren erlangte er einige Ehrungen für seine Arbeit und unterrichtete im Kruppschen Bildungsverein Fotografie. Obwohl er schon seit den 1930er Jahren hauptberuflich als Fotograf arbeitete, legte Stoffels erst 1948 im Alter von 55 Jahren seine Meisterprüfung ab.

Der 336 Seiten starke Katalog mit über 400 Abbildungen kostet 29,95 € und erscheint im Klartext Verlag Essen. ISBN: 978-3-8375-1893-1.

Veranstaltungsort:
Ruhr Museum
UNESCO-Welterbe Zollverein
Areal A [Schacht XII], Kohlenwäsche [A14]
Gelsenkirchener Str. 181, 45309 Essen
www.ruhrmuseum.de [2]