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Völklingen: Bhuddas über ruhenden Maschinen laden zur Meditation

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Zwar wird der Intendant des Welterbes Völklinger Hütte, Professor Grewenig von den Industriearchäologen reiner Observanz seit Jahren regelmässig gescholten, er missbrauche und blockiere die monumentale Gebläsehalle der Hütte durch die Nutzung für beliebige Ausstellungen über jedes nur irgendwie massentaugliche Thema – nicht nur die beeindruckenden Besucherzahlen sprechen für Ihn…

Anders als in der Zig-Millionen-Einwohner-Mega-Stadtlandschaft Ruhrgebiet mit ihrem ebenfalls dichtbevölkerten Einzugsbereich ist es nämlich im eher kleinteiligen Grenzland zwischen Saar und Moselle nicht annähernd so einfach, immer wieder Hunderttausende nach Völklingen zu ziehen – auch wenn die eine Million Saarländer – Säuglinge und Ü-90er selbstredend mitgerechnet – immer wieder begeistert die heiligen Völklinger Hallen fluten und die Hochöfen erklimmen würden, quasi als obligatorischer Sonntagsausflug des Heimatfreundes.

Mögen auch alle saarländischen und grenznahen französischen Schulklassen regelmässig ihrer Ausflüge auch nach Völklingen lenken – ohne ein gerüttelt Maß an auswärtigen Kulturreisenden wäre dieser Publikumserfolg nicht erreichbar. Industriekultur als Mitnahmeeffekt eines auf breitere – ja, auch polulärere – Interessen angelegten Ausstellungsbetriebs – ist das denn akzeptabel? Ja, was sind denn die Biennalen und alljährlichen Triennalen im Ruhrgebiet anderes als eine artfremde Nachnutzung oft erheblich umgebauter, gähnend leerer, ja ausgehöhlter industrieller „Objekte“ und Hüllen, deren eigentliche Bedeutung nur noch selten eine Rolle spielt.

Die offenundige Zweideutigkeit der „Nacht der Industriekultur“ wird dabei zur rituellen Beschwörung einer Vergangenheit, die mit den neuen Inhalten kaum mehr etwas zu tun hat – und es besser auch nicht versucht, denn allzu oft offenbart sich dabei der zwiespältige, negativ belastete Charakter der Vergangenheit. Bezeichnenderweise ist die „Living History“ in diesem Bereich kaum ausgeprägt, die Zeugnisse der Geschichte dekuvrieren sich allzu schnell als beschönigende Kulissen denn als echte Versuche einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse derer, die in ihnen wirkten.

Erzwungene, durch (wessen?) Konvention vorgefertigte Urteile und Sichtweisen geraten zum kollektiven, bestenfalls mit Desinteresse zur Kenntnis genommenen Geschichtsbild. Es beginnt erst wieder zu leben, wenn das Individuum aufscheint, das persönliche Erleben und Erleiden greifbar wird, und das ist ein Geschenk, das zugleich erarbeitet sein will und nicht jedem zuteil wird.

Zurück in Völklingen, geschieht in der Begegnung von West und Ost, wie sie derzeit mit der Bhuddismus-Ausstellung inszeniert wird und möglich ist: Etwas zutiefst Persönliches, nach Innen gerichtetes begegnet der extrovertierten, ja brutalen Traditon der westlichen Kulturen. Daraus entsteht ungeheure – und zugleich atemlose – Spannung. Man kann – wie von den Initiatoren ausdrücklich empfohlen – das trotz aller Konservierung noch immer potentiell ruinöse und erschöpfte Denkmal als Sinnbild der Welt und des Menschen zu begreifen suchen.

Zu viel Mystizismus, sagen hier sicher die Denkmalpfleger und Historiker – aber wozu erhält man Denkmale, als darum, von ihnen wieder und wieder zum Denken und Fühlen angergt zu werden? Das Industriedenkmal gar als moderne Pilgerstätte – der Abstand zwischen Trier und Völklingen ist geringer, als so mancher denkt.

Schon in Antike und Mittelalter verbanden sich mit dem Pilgern als der ältesten Form des massenhaften Reisens mehr als nur fromme, nach innen gewandte Interessen. Warum soll dies nicht auch im (manchmal bereits) post-industriellen Zeitalter so sein. Und so kann das zugegeben kleine Häuflein der Industriearchäologen froh sein darüber, wenn manche es wagen, ihre oft sperrigen Denkmale in einen neuen Kontext von „Industriekultur“ einzubinden und ihnen so teils unverdiente Akzeptanz zuteil werden zu lassen. Solange es nicht als geringschätzig als Beiwerk oder gar störendes Gerümpel verachtet, sondern auch einmal als Folie und Resonanzkörper dienen kann(!) und muss – so stärkt und sichert es auch so seine Existenzberechtigung. Und wissen wir, wie man ein einigen Generationen darüber und über unser oft materiell verkürztes Geschichtsbild denken wird?

Das, was wir heute im engeren Sinne als „industriekultur“ bezeichen, muss erst einmal das „biblische“ Alter erreichen und jene Stürme überstehen, in denen sich die – zumindest eine Weile – bleibenden kulturellen, geistigen und technischen Leistungen bewähren und ihre Bedeutung behalten. Das Welterbe – und das brauchen wir nicht zu leugnen – ist auch Teil des grossen Welttheaters, es erscheint und vergeht genau so wie letztlich alles Materielle – aber das geht weit über den Horizont des Menschen hinaus, der seine Aufgabe – auch die des kulturellen Wirkens – nur im Hier und Jetzt und mit dessen Mitteln und Methoden erfüllen kann. Nimmt er sich – und sei es am Rande eines Besuchs in Völklingen – einmal wirklich die Zeit, darüber nachzudenken, und findet er hier den Ort, dann ist mehr gewonnen, als wir uns wünschen konnten.

Ausstellungsinformationen hier [2]

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