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Petershagen: Ausstellung „Glashütten auf Murano – Einblicke in eine verborgene Welt“ im LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim

Venedig ist heute einer der globalen Hotspots des Kulturtourismus. Die jahrhundertealte Tradition der Glasmacherei auf der Nachbarinsel Murano hat dies nicht retten können. Nur wenige Hersteller führen heute das auf der Geschichte und dem Erfindungsgeist vieler Generationen beruhende Kunsthandwerk fort. Die Glashütte Gernheim hat sich 2011 auf die Spuren der verlassenen Hütten gemacht…

Holtappels-Murano [1]

Kunstvolle Formgebung und handwerklich perfekte Dekore kennzeichnen die Gläser der venezianischen Insel Murano. Über viele Jahrhunderte waren die muraneser Glashütten berühmt für ihre exquisiten Zier-und Gebrauchsgläser, die weltweit vertrieben wurden. Jetzt ist die Glaskunst aus Venedig derzeit an der Weser zu Gast. Noch bis um 12. Oktober zeigt das LWL-Industriemuseum 65 Objekte, die die vielfältigen Techniken der venezianischen Glasproduktionen des 19. Jahrhunderts veranschaulichen.

Parallel zur Glaskunst gibt die Fotoausstellung „Glashütten auf Murano“ Einblicke in eine verborgene Welt. Sie zeigt die Ergebnisse einer Spurensuche in drei Glashütten in Murano aus dem Jahr 2011: einen stillgelegten Betrieb, einen, der den Betreiber wechselte, sowie eine Glashütte, die ihre vergangene Größe zugunsten einer modernen Produktion umformte. Die Ausstellung zum Themenjahr „Unterwelten“ im LWL-Industriemuseum gibt Einblicke in einige der einst weltberühmten Glashütten vor Venedig.

Hintergrund

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts drohte die Tradition der Muraneser Glasproduktion aufgrund politischer Umwälzungen abzubrechen. Um 1860 jedoch setzte ein neuer Aufschwung ein: Die Glasmacher schufen Formen, die sich an den historischen Vorbildern orientierten, und übertrafen die alten Gläser bald an technischer Raffinesse. Sie erdachten nicht nur neue Techniken, sondern erfanden außerdem ungewöhnliche Glassätze, die den Wandungen der Gefäße prächtige Farbspiele oder ungewöhnliche Materialeffekte verliehen.

Die Glasobjekte, die in der Ausstellung „L‘ arte del vetro“ zu sehen sind, demonstrieren den Erfindungsreichtum und das technische Vermögen der muraneser Glasmacher, die es ihnen erlaubten, Gläser von außerordentlicher Eleganz anzufertigen. Vertreten sind die charakteristischen Techniken des Fadenglases, die typischen Dekore und Applikationen. Auch von dem Gebrauch der optischen Formen (des baloton oder der mezza stampatura) zeugen zahlreiche Exponate.

Die Farbenpracht der Glasmasse entstand durch die neu entdeckten Glaszusammen-setzungen etwa des calcedonio-Glases. Aber auch neue Verfahren zum Blasen des nur schwer zu verarbeitenden Aventuringlases erlaubten die Herstellung schimmernder Ziergefäße. Selbst das ursprünglich nur dezent farbige, oft weiße Fadenglas zeigte nun ungewöhnliche Pracht. Mit der Ausstellung soll an die technische Meisterleistung erinnert werden, die elegante Glasobjekte hervorbrachte: Sie führte die Insel zur Mitte des 19. Jahrhunderts aus einer tiefen wirtschaftlichen Krise.

Zu den Ausstellungen sind zwei deutsch-italienische Publikationen erschienen: Der Katalog „L’arte del vetro. Glas des 19. Jahrhunderts aus Murano“ mit Beiträgen von Aldo Bova, Katrin Holthaus, Helmut Ricke und Giovanni Sarpellon, sowie die Dokumentation „Spuren der Vergangenheit. Drei Glashütten auf Murano [2]“ mit den Fotos von Martin Holtappels.

Regelmäßig bietet das LWL-Industriemuseum Führungen durch die Sonderausstellung an; Termine unter: http://www.lwl-industriemuseum.de. Führungen für Gruppen können unter Tel. 05707 9311-0 gebucht werden.

Abb: Blick in die geschlossene Produktionsstätte der Glashütte A.VE.M in Murano (Foto: LWL/Holtappels)