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Düsseldorf/Berlin: Aufnahme der „Industriellen Kulturlandschaft Ruhr“ auf die deutsche Welterbe-Kandidatenliste vorerst gescheitert

Das Ruhrgebiet ist mit dem Vorhaben gescheitert, den Welterbe-Status von Zeche und Kokerei Zollverein auf weitere bedeutende Industriedenkmale auszudehnen. Die Kulturministerkonferenz der Länder hat nach eigenen Angaben der Aufnahme der Bewerbung auf die deutsche „Tentativliste“ nicht zugestimmt…

Schwarze Seite Kokerei Hansa_Foto_Klaus-Peter Schneider

Wie das NRW-Städtebauministerium am 12. Juni 2014 mitteilte, wird die Tentativliste der Bundesrepublik Deutschland ohne den NRW-Vorschlag „Zollverein und die industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ für die UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes bleiben. Die von der Kultusministerkonferenz eingesetzte unabhängige Fachjury habe den NRW-Vorschlag, die Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet zum Weltkulturerbe anzumelden, verworfen. Sie hat andere Projekte für die sogenannte Tentativliste, also die künftige Anmeldeliste Deutschlands für Welterbeprojekte bei der UNESCO, vorgeschlagen. Die Kultusministerkonferenz ist diesem Votum gefolgt.

Städtebauminister Michael Minister Groschek bedauere die Entscheidung: „Es ist schade, dass die die von den Kultusministern eingesetzte Jury sich nicht für unseren NRW-Vorschlag entschieden hat. Das schränkt jedoch nicht die Bedeutung des Welterbes Zollverein ein. Und das wird nicht unser Engagement für die einzigartige Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet schmälern. Alle Beteiligten werden jetzt umso intensiver daran arbeiten, diesen Standort weiterzuentwickeln.“

Die Fachjury hat in Ihrem Votum das bedeutende Potenzial der europäischen Kulturlandschaft Ruhrgebiet anerkannt. Daher empfiehlt die Jury den Verantwortlichen des Landes, den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe, dem Regionalverbandes Ruhr, der Emschergenossenschaft, der RAG und der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, das Projekt mit Blick auf eine Konzentration der besonderen kulturlandschaftsprägenden Stätten und Objekte aktiv weiter zu entwickeln.

Das Land NRW hatte im August 2012 der Kultusministerkonferenz der Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagen, das bestehende UNESCO-Welterbe Zeche und Kokerei Zollverein um die „industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ zu erweitern und den Vorschlag auf die Tentativliste des UNESCO-Welterbes zu setzen. Der Vorschlag war von einer unabhängigen Auswahlkommission nach einem intensiven Bewerbungsverfahren einstimmig empfohlen worden.

Wie kaum eine andere europäische Landschaft ist das Ruhrgebiet seit der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Industrialisierung geprägt worden. Über 150 Jahre war die Bergbau- und Montanindustrie das Aushängeschild deutscher Wirtschaftskraft. Der Struktur- und damit auch Kulturlandschaftswandel setzte vor fünfzig Jahren ein, als Textilbetriebe, Zechen und Hochöfen, Gießereien und Stahlwerke ihre ursprüngliche Funktion verloren. Die Industriegeschichte des Ruhrgebietes ist ein elementarer Teil der nordrhein-westfälischen Landesgeschichte.

In einem bundesweiten Wettbewerbsverfahren sollte sich dieser städtisch und industriell geprägte Ballungsraum zwischen Ruhr, Emscher und Lippe mit seinen eingetragenen Denkmälern sowie seinen prägenden Landschafts- und Erinnerungsräumen als künftiges UNESCO-Welterbe beweisen. Zu den weiteren beteiligten Einrichtungen der Industrieregion gehören der Landschaftspark Duisburg-Nord, der Gasometer in Oberhausen, Zeche Zollern und Kokerei Hansa in Dortmund, der Schleusenpark in Waltrop oder das Deutsche Bergbaumuseum in Bochum.

Stellungnahme aus Berlin:

Das Sekretariat der Kulturministerkonferenz in Berlin teilte mit, die Kultusministerkonferenz habe eine Entscheidung über künftige Nominierungen aus Deutschland für den Eintrag in die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt getroffen.

Dabei handele es sich um:
• Höhlen der ältesten Eiszeitkunst (Schwäbische Alb)
• Jüdischer Friedhof Altona Königstraße
• Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg
• Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt
• Die SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz
• Alte Synagoge und Mikwe in Erfurt – Zeugnisse von Alltag, Religion und Stadtgeschichte zwischen Kontinuität und Wandel
• Alpine und voralpine Wiesen- und Moorlandschaften (Historische Kulturlandschaften im Werdenfelser Land, Ammergau, Staffelseegebiet und Murnauer Moos, Landkreis Garmisch-Partenkirchen)

Diese Kulturgüter erfüllen nach Einschätzung der Kultusministerkonferenz und des von ihr beauftragten Fachbeirats das entscheidende Kriterium des außergewöhnlichen universellen Wertes. Zudem fallen sie nicht in die Kategorie jener Kulturstätten, die nach Einschätzung der UNESCO auf der Welterbeliste bereits überrepräsentiert sind und damit geringere Aussichten auf Aufnahme haben.

Des Weiteren würden die folgenden Kulturgüter berücksichtigt, die den außergewöhnlichen universellen Wert erfüllen:
• Gebaute Träume – Die Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee des Bayerischen Königs Ludwig II.
• Residenzensemble Schwerin – Kulturlandschaft des romantischen Historismus

„Die Kultusministerkonferenz hat auf Grundlage der exzellenten Arbeit und Vorbereitung durch international renommierte Expertinnen und Experten eine überzeugende Auswahl her-vorragender Bewerbungen getroffen. Durch das sorgsam gewählte Verfahren erhöhen sich die Chancen Deutschlands bei der UNESCO, mit den Nominierungen auch in Zukunft zum Zuge zu kommen. Das war und ist unser erklärtes Ziel. Die strengen Evaluierungs- und Entschei-dungsprozesse der UNESCO haben eine Anpassung unserer Strategie erfordert“, erklärte die Präsidentin, der Kultusministerkonferenz, Sylvia Löhrmann.

Deutschland gehört mit 38 Welterbestätten zu den fünf Staaten mit den meisten Eintragungen auf der Welterbeliste mit derzeit insgesamt 981 Stätten in 160 Staaten. Dass Deutschland ein reiches Kulturerbe von herausragender Bedeutung besitzt, zeigen auch die bei der Kultusministerkonferenz eingereichten insgesamt 31 Anträge der Länder. Die Kultusministerkonferenz bekennt sich ausdrücklich zu ihrer besonderen Verantwortung für das Kulturerbe der deut-schen Länder und fühlt sich verpflichtet, das nominierte und eingeschriebene Welterbe auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene nachhaltig zu schützen und zu nutzen. Die Kultusministerkonferenz wird sich daher dafür einsetzen, die Idee und das Ziel der Welterbekonvention zu stärken und somit zu einem weltweiten verantwortungsvollen Umgang mit dem Kultur- und Naturerbe der Menschheit beitragen.

Vor diesem Hintergrund hat die Kultusministerkonferenz 2010 ein neues Verfahren zur Fortschreibung der „Vorschlagsliste der Bundesrepublik Deutschland für die Nominierungen zur Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt“ (Tentativliste) beschlossen, das sich durch Transparenz und den Nachweis des außergewöhnlichen universellen Wertes und Erfüllung der Kriterien der ICOMOS-Lückenstudie „Filling the gaps“ auszeichnet.

Die Kultusministerkonferenz begrüßt, dass der Fachbeirat eine Vielzahl von Möglichkeiten und Chancen aufgezeigt hat, wie die weiteren 22 Anträge, die aktuell für die Fortschreibung der Tentativliste nicht vorgeschlagen worden sind, durch zusätzliche Forschung oder Präzisierungen weiterentwickelt oder im Rahmen serieller Nominierungen unter der Federführung anderer Staaten oder im Rahmen von Erweiterungsanträgen oder durch Antragstellungen bei anderen Programmen wie dem Weltdokumentenerbe, dem Immateriellen Kulturerbe der UNESCO oder dem Europäischen Kulturerbe-Siegel berücksichtigt werden können.

Die Präsidentin dankte dem elfköpfigen Fachbeirat mit Expertinnen und Experten aus Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und Israel für die sachkundige Arbeit bei der Beurteilung der insgesamt 31 eingegangenen Vorschläge. Der Kulturstiftung der Länder ge-bühre großer Dank für die Unterstützung dieses sich über einen Zeitraum von zwölf Monaten erstreckenden Evaluierungsprozesses als betreuender Geschäftsstelle, der auch Besichtigungsreisen und Fachgespräche mit den Antragstellern umfasste. Der Arbeit des Fachbeirats waren Vorauswahlverfahren in den Bundesländern in den Jahren 2011 und 2012 vorausgegangen. Daran waren kommunale und regionale Verwaltungen, Nichtregierungsorganisationen und Verbände beteiligt. Die Länder wählten – häufig durch unabhängige Kommissionen von Expertinnen und Experten – aus weit über 100 Vorschlägen 31 Bewerbungen aus. Die Länder Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein hatten keine eigenen Bewerbungen vorgelegt.

Die Kultusministerkonferenz bereite ein Symposium zum nachhaltigen und verantwortungs-bewussten Umgang mit dem Welterbe in Deutschland vor, an dessen Ende Handlungsempfehlungen für Länder und Kommunen und ein Zeitplan für eine weitere Fortschreibung der Tentativliste, voraussichtlich in den Jahren 2017 bis 2019, stehen sollen. An diesem Zeitplan können sich auch diejenigen Länder und Antragsteller orientieren, bei deren Anträgen der Fachbeirat im jetzigen Verfahren eine nachhaltige Erforschung der Grundlagen empfohlen hat.

Die Intiatioren im Ruhrgebiet teilten am 13. Juni mit:

„Die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur und ihre Partner im Projekt „Zollverein und die industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ sind zunächst enttäuscht, dass der Vorschlag von der Kultusministerkonferenz (KMK) nicht für die deutsche Tentativliste zum UNESCO Welterbe nominiert wurde.

Wir werten es aber als positiv, dass die Kultusministerkonferenz ein Signal für die weitere Entwicklung und Präzisierung unseres Vorschlags gegeben hat.

Eine ausführliche Begründung der Fachjury liegt der Industriedenkmalstiftung noch nicht vor. Diese gilt es abzuwarten und intensiv auszuwerten. Daran wird sich die weitere Vorgehensweise orientieren.

Das Land NRW als Antragsteller ist entschlossen, das Projekt weiter zu unterstützen und sich mit dem präzisierten Vorschlag an der Aufstellung der deutschen Tentativliste 2017-2019 zu beteiligen.“

Pressekommentare zum Thema:

WAZ/Der Westen

WDR