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Soest: LWL-Wanderausstellung „Wilhelm Wulff (1891-1980)“ zeigt Werdegang eines vielbeschäftigten Ruhrgebietskünstlers

­ "Die Ausstellung und der Katalog versuchen, diesem vielseitigen Künstler einen angemessenen Platz in der Kunstgeschichte zu schaffen. Denn Wulffs Werk hat die Kunst in Westfalen entscheidend mitgestaltet. In der Ausstellung wird deutlich, dass Wulff an den Menschen interessiert war, sowohl in Zeiten seiner abstrakten Kunst vor allem aber bei seinen Porträtarbeiten. Es wird klar, dass Wulff es hervorragend verstand, in beiden Bereichen die Individualität in den Vordergrund zu stellen", so Klaus Kösters, Kunstexperte im LWL-Museumsamt. Die Ausstellung zeigt neben Selbstporträts frühe Zeichnungen und Porträts Wulffs. Daneben sind expressionistische Drucke ebenso zu sehen wie abstrakte Aquarelle bzw. Zeichnungen, Aktzeichnungen und Figuren. Frühe konstruktivistische Skulpturen und Reliefs der 1920er Jahre sind ebenso Teil der Ausstellung wie Porträtköpfe aus Holz (z.B. von Eberhard Viegener) und Bronze (z.B. von Hermann Kätelhön und von Otto Modersohn). Schließlich sind auch Skulpturen von Berg- und Stahlarbeitern (z.B. Kopf eines Steigers) sowie Reliefs zum Thema Bergbau (z.B. Bergmann unter Tage mit Bohrhammer) zu finden. Die Ausstellung wird durch späte Entwürfe für Freiplastiken abgerundet. Der Katalog zeichnet ein Bild vom Leben und Arbeiten Wulffs, der am 25. April 1891 in Wehringsen bei Soest geboren wurde. Neben einer eigenständigen Biografie stellt Stefanie Riboni den Bildhauer vor. Walter Weihs vergleicht im Anschluss die frühen Werke Morgners und Viegeners mit denen Wulffs und beschreibt deren Einflüsse auf Wulff. Klaus Kösters gibt anschließend einen Einblick in die Einbindung Wulffs in die Soester Kunstszene zur Zeit des Nationalsozialismus, ferner stellt er Wulffs Schaffen im Bereich der Denkmäler heraus. Die Anfänge: Das Schaffen Wulffs ist durch Wandel und Veränderung geprägt und wird grob in ein Früh- und ein Spätwerk eingeteilt: Nach ersten Zeichenversuchen steht in seinem Frühwerk (1919-1928) ein avantgardistisches Schaffen, u.a. mit Holz, an erster Stelle. "Seine am Stil des Konstruktivismus orientierten abstrakten Skulpturen sind auf geometrische Elemente reduziert. Durch diese Auflösung der eigentlichen Form wird der Blick des Betrachters auf das Material Holz gelenkt, das so konkret wahrnehmbar und erfahrbar wird", erklärt Kösters. Wulff gehe es hier weniger um eine inhaltliche Aussage, formale Aspekte stünden im Vordergrund. Als ein Beispiel sei die Kniende Figur von 1922 genannt, bei der das Holz mit seinem spezifischen Muster klar hervortritt, so Kösters weiter. Zwischen 1924 und 26 widmete sich Wulff zudem der Arbeit an konstruktivistischen Reliefs und rückte in der Folge in die Nähe von Oskar Schlemmer und dem Weimarer Bauhaus. "Das bemerkenswerte an diesem Soester Künstler ist, dass er mit seinen frühen Werken als einziger Bildhauer Westfalens die Kunst der Abstraktion und der expressionistischen Darstellung in der Bildhauerei vorantrieb. Umso tragischer ist es, dass seine Werke nur schwer verkäuflich waren. Infolgedessen steht sein Spätwerk (1928/30-1980) eher im Zeichen des Traditionalismus und der naturalistischen Porträtkunst", so Kösters. Spätwerk: Nach seinem Studium im Winter 1928/29 in Paris wandelte sich die künstlerische Arbeit Wulffs: Neben der Verwendung neuer Materialen (Gips, Terrakotta, Bronze) stand nun das Modellieren anstelle der Bildhauerei im Vordergrund. Damit einher ging eine Hinwendung zu realistischen Darstellungen, beispielsweise bei Bildnisbüsten und Bergbaudenkmälern. Besonders hervorzuheben ist hier seine Leistung als Porträtist: "In der Ausstellung wird deutlich, dass Wulff dabei kein genaues Abbild der Personen intendierte, sondern vielmehr versuchte, den Charakter des Menschen abzubilden. Ein Beispiel dafür ist der in der Ausstellung gezeigte Porträtkopf des blinden Schriftstellers Adolf von Hatzfeld", so Kösters. Andere Arbeiten wie die Maske seines Sohnes Thomas Wulff oder von Stella Steyn stellen nur einzelne individuelle Gesichtspunkte heraus, wie z.B. den Mund, und sind ansonsten abstrakter gehalten, sodass die Abbildung idealisiert erscheint. Kösters: "Hier ist die besondere Leistung Wulffs hervorzuheben, dass es ihm möglich war, individuelle Wesenszüge herauszuarbeiten und anhand der Abstraktion gleichzeitig eine idealisierende Komponente zu integrieren." Wulff wurde ein angesehener Porträtist von Industriellenfamilien und Politikern. Zu seiner bedeutendsten Auftragsarbeit zählt die bronzene Büste von Bundespräsident Dr. Heinrich Lübke. Diese Hinwendung zum Porträt und zum Denkmal war vor allem ein Schritt zur Sicherung des Lebensunterhaltes. "Hier liegt eine weitere Tragik im Werk Wulffs begründet, denn die Auftragsgeber seiner Arbeiten waren Menschen voller Macht und politischen Einfluss. In der Folge geriet Wulffs Arbeit in einen hochpolitischen Kontext, man kann behaupten, dass Wulff von den Nationalsozialisten benutzt wurde. So schuf er Denkmäler, die eigentlich in traditioneller Weise Trauer und Tod darstellen sollten wie der trauernde Bergmann auf dem Friedhof in Dortmund-Mengede. Im Zuge der nationalsozialistischen Ideologie wurden diese Denkmäler eingereiht in das Ideal vom Heldentod an der Front", erklärt Kösters.

Katalog: Wilhelm Wulff (1891-1980), hrsg. v. LWL-Museumsamt für Westfalen
Konzept und Redaktion Klaus Kösters
Buschmann Druckerei GmbH und Co. KG, Münster
ISBN 978-3-927204-72-0, 180 Seiten: 201 SW- und Farbabbildungen, 15 Euro.

Bezug: An der Museumskasse und über museumsamt@lwl.org

Wilhelm Wulff (1891-1980) – das graphische und bildhauerische Werk

Eine Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen
Wilhelm-Morgner-Haus
[1], Thomästraße 1, 59494 Soest

22. März bis 26. Mai 2011
geöffnet: dienstags bis samstags 10 bis 12 Uhr und 15 bis 17 Uhr, sonntags 10.30-12.30 Uhr

Weitere Ausstellungsstationen:
Forum Jacob Pins im Adelshof, Höxter, 12. Juni bis 14. August 2011
Münsterlandmuseum Burg Vischering, Lüdinghausen, 15. Januar bis 18. März 2012
Haus der Kamener Stadtgeschichte, 25. März bis 20. Mai 2012
Emschertal-Museum der Stadt Herne, 1. Juni bis 22. Juli 2012
Museum der Stadt Bad Berleburg, 6. August bis 23. Juli 2012

Kontakt: LWL-Museumsamt für Westfalen
Klaus Kösters Telefon: 0251 591-4663 Fax: 0251 591-3335
Email: klaus.koesters@lwl.org [2]

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Emil-Kirdorf-Büste (1929) im Ruhrmuseum, Essen