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Köln: Ehemalige Müllverwertungs-Anstalt soll in Kürze abgebrochen werden

Die „Müllverbrennungs- und Verwertungsanstalt“ in der Emdener Strasse war das Herzstück einer in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre umgesetzten innovativen Müllentsorgung in den zentralen Kölner Stadtteilen. Hierfür wurde der Müll in sog. „Wechseltonnen“ gesammelt und mit Elektrokarren zu insgesamt acht Umladestationen gebracht. In Großraumwagen wurde er von dort nach Niehl transportiert. Den Bau der Verwertungsanlage in Niehl hatte der Stadtrat am 26. November 1925 beschlossen. Man entschied sich dabei für das System der „Musag“; die „Müll- und Schlackenverwertungsanlagen AG“ war eine Gemeinschaftsgründung eines Berliner Unternehmens und der traditionsreichen Kalker Maschinenbauanstalt Humboldt. Das Konzept der Musag sah vor, die für Köln charakteristische, kaum brennbare Braunkohle-asche herauszusieben und den verbleibenden Grobmüll zu verbrennen. Aus der Braunkohlenasche sollte in einem Sinter- bzw. Schmelzverfahren eine harte Schlacke erzeugt werden, aus der Pseudo-Vulkansteine und Platten hergestellt werden sollten. Zudem sollten Dampfturbinen in der Müllverbrennungsanlage Strom für die städtischen Elektrizitätswerke erzeugen. Zwar wurden die auf der für diese Zeit typischen Rationalisierungs- und Verwertungsgedanken und die damit verbundenen hochtrabenden Gewinnerwartungen der Musag bereits durch stadteigene Berechnungen gedämpft; trotzdem versprach sich auch der Stadtrat von dem Projekt zumindest einen ausgeglichenen Betrieb. Als Musteranlage sollte die Müllverwertung zudem der Förderung der lokalen Industrie sowie der Werbung für das neue Niehler Industriegebiets dienen.

Im September 1926 begannen die Bauarbeiten; am 1. April 1928 konnte der Probebetrieb in Verbrennungsanlage und Steinfabrik aufgenommen werden. Während die Verbrennung des Grobmülls weitgehend reibungslos funktionierte, stiess die Sinterung der Asche und die Herstellung der Schlackeprodukte auf ständige technische Probleme. Als aufgrund der Weltwirtschaftskrise auch noch der Absatz wegfiel, stellte man die Steinproduktion ein und musste so auf die geplante Gegenfinanzierung verzichten, was zu hohen Kosten führte. Altenativ versuchte man, die Schlacke als Düngemittel abzusetzen; schließlich blieb nur die Deponierung.

Die aufgrund des geplanten Mustercharakters der Anlage aufwendige architektonisch-städtebauliche Gestaltung der Anlage übertrug man Hans Mehrtens, einem der Mitarbeiter der Stadtbaurats Adolf Abel. Dieser schuf ein eindurchsvolles Bauensemble in Stahlfachwerk mit Backsteinausfachung, das in seiner Verbindung von betonter Funktionalität und strenger Symmetrie die Vorgänge im Innern durch ihre baulichen Hüllen sichtbar machte. Der Müll wurde in einer großen Halle angeliefert, unterirdisch gesammelt und über zwei auch aussen sichtbare Förderanlagen aufwärts transportiert, um die Siebanlage zu durchlaufen. Der zur Verbrennung vorgesehene Müll wurde in Öfen verbrannt, in deren Kessel Heißdampf zur Stromerzeugung produziert wurde. Der „Feinmüll“ wurde – so zumindest die ursprüngliche Idee – in anderen Ofenanlagen zu Schlacke gesintert und dann in einer „Steinfabrik“ weiterverarbeitet. Heute nicht erhalten ist das hochaufragende Kesselhaus der Ofenanlage; die Bauten der Steinfabrik sind dagegen noch erhalten.

Schon nach gut zehn Jahren, im März 1939, wurde die Müllverbrennung wieder eingestellt und der Müll ausschließlich deponiert. Die Baulichkeiten wurden wohl zu Beginn des Zweiten Weltkrieges von der Chemieanlagenfirma Schmidding übernommen. Ihre Rakatenantriebe spielten eine bedeutende Rolle in der Rüstungspolitik. Nach dem Weltkrieg betätigte sich Schmidding im Spezial-Chemieanlagenbau.

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Der Architekt Hans Mehrtens blieb auch in den 1930er Jahren in Köln aktiv; sein bedeutendstes – und heute schrittweise restauriertes – Werk ist der 1935/36 errichtete Flughafen Butzweiler Hof. Nach dem Krieg war Mehrtens Professor für Entwerfen und Industriebau an der RWTH Aachen.

Die ehemalige Kölner Müllverwertungs-Anstalt ist ein ungewöhnlich vielschichtiges Denkmal. Als ambitionierte, aber gescheiterte Investition dokumentiert sie die städtischen Bemühungen um auch ökonomisch profitable Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur einerseits und das Innovationsstreben der Kölner Industrie andererseits.

Siedlungs- und baugeschichtlich steht sie zum einen für den Beginn der Erschließung des neuen Industriegebietes am Niehler Hafen, zum anderen für das hohe architektonische Niveau der kommunalen Bauverwaltung, die hier einen der überzeugendsten modernen Industriebauten der Zeit realisierte. Dass dieser Rang seinerzeit wahrgenommen und anerkannt wurde, zeigen die nicht wenigen zeitgenössischen Veröffentlichungen.

Dank der frühen Umnutzung durch die Schmidding-Werke, die ihrerseits weitere qualitätvolle Bauten in dem Areal erstellt haben, blieb auch über den Weltkrieg hinweg dieses herausragende industriearchitektonische Ensemble in großen Teilen original erhalten. Seit geraumer Zeit ist es allerdings weitgehend um- bzw. ungenutzt; im März 2010 verliess der letzte Mieter das Areal. Die Eigentümer planen nach eigenen Angaben, auf dem Gelände ein Logistikcenter zu errichten. Mit dem Abbruch der Altbauten solle in Kürze begonnen werden, hieß es von mehreren Seiten.

Der Rheinische Verein setzt sich deshalb gemeinsam mit seinen Partnern im Kölner Haus der Architektur [1], dem Architekturforum Rheinland [2] und dem Verein Rheinische Industriekultur [3], mit Nachdruck dafür ein, dieses bedeutende industrie-, architektur- und stadtgeschichtliche Monument endlich in die Denkmalliste aufzunehmen und damit das öffentliche Interesse an seinem Erhalt deutlich zu machen. Dies könne die Grundlage eines angemessenen und zukunftsfähigen Nutzungs- und Entwicklungskonzeptes für Bauten und Gelände bilden.

Zum Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers [4]

Nachtrag: Pressemeldung zum Abbruch [5]