Industriekultur

Magazin für Denkmalpflege, Landschaft, Sozial-, Umwelt- und Technikgeschichte

Vorträge & Tagungen

Münster/Herford: LWL zeichnet Herforder Fabrikantenvilla als Denkmal des Monats August aus

"Der neue Eigentümer war ein Glücksfall für das Denkmal. Denn er hat sich auf die Fahnen geschrieben, die denkmalwerten Türen, Fenster, Stuckelemente, Böden und Ausstattung zu erhalten und behutsam herzurichten. Nachdem er unsensible Einbauten der 1980er Jahre entfernt hatte, traten einige ‚Schmuckstücke‘ zu Tage, die die reiche Ausstattung der Erbauungszeit eindrucksvoll belegen", freut sich LWL-Denkmalpflegerin Sybille Haseley. So blieben unter der Dispersionsfarbe der Fassade zweifarbige Ornamentbänder aus durchgefärbtem roten und grauen Putz bewahrt, die an ein "Beschlagwerk" der Renaissance erinnern. Innen fanden sich Fliesen des 19. Jahrhunderts, eine Fliesenimitationsmalerei an Wänden und Decke des ursprünglichen Wintergartens sowie Reste einer sogenannten Linkrusta-Tapete mit Jugendstilmotiven. Diese Prägetapete aus einem linoleumähnlichen Material wurde in gehobenen Interieurs um 1900 gern verwendet. Dieser erhaltenswerte Wandschmuck wurde gesichert und im Fall der Prägetapete im gesamten Raum ergänzt. Auch zwei Fenster mit farbiger Bleiverglasung der Jugendstilzeit blieben erhalten und wurden lediglich innen mit einer Isolierverglasung verstärkt.

HER_Fenst.350.jpg
Fenster mit farbiger Bleiverglasung der Jugendstilzeit blieben erhalten (Foto: LWL)

"Zur Überraschung aller Beteiligten waren auch Fragmente des Wintergartens der 1910er Jahre erhalten. In den 1980er Jahren hatte man rigide in die Substanz eingegriffen und den alten Wintergarten nahezu vollständig durch einen massiven Anbau ersetzt. Wie sich nun herausstellte, waren die Oberlichter des Wintergartens, eine Bleiverglasung mit romantischer Bemalung aus Rosenranken, nicht entfernt worden. Wie mit diesem Befund umgegangen wird, ist noch nicht vollends geklärt. Es ist aber damit zu rechnen, dass auch hier, wie im gesamten Haus, eine Lösung gefunden wird", so Haseley.

Die repräsentative Villa liegt am Rande der Herforder Neustadt, eingebettet in die Grünanlagen des Lübbertorwalls. Die Gegend gehörte schon zur Erbauungszeit zu einer der attraktivsten Wohnlagen Herfords. Nach dem die mittelalterlichen Stadtbefestigung im 18. Jahrhundert zurückgebaut worden war, wurden die abgeräumten Flächen der Wallanlagen zunächst als Weideland genutzt. Im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden sie in Baugrundstücke umgewandelt. In dieser Zeit entstanden entlang eines Promenadenwegs prachtvolle Villenbauten mit großzügigen Gärten.

Der Zigarrenfabrikant Richard Böckelmann ließ die Villa im Jahre 1893 für sich und seine Familie bauen. Zusammen mit seinem Bruder Wilhelm betrieb er bis 1954 eine der bedeutendsten Firmen der Herforder Tabakbranche, die sein Vater Conrad Heinrich Wilhelm Böckelmann 1842 gegründet hatte. Mit der Planung der Villa betraute Böckelmann den Architekten Wilhelm Köster (geb. 1860). Dieser hatte sich 1892 als selbständiger Architekt in Herford niedergelassen. Als Spezialist für den Bau von Tabakfabriken errichtete er Betriebe im In- und Ausland. Darüber hinaus realisierte er zahlreiche Villen in Herford und anderen Orten. Nachdem Böckelmann in den 1910er Jahren einen Wintergartens anbaute und die Terrassenanlage erweiterte, ließ er 1929 das Innere der Villa umgestalten. Die Entwürfe dazu lieferte der Architekt Karl Krause.Die Villa ging schließlich in den Besitz der Stadt über, die hier in den 1980er Jahren eine Musikschule einrichtete. Nach deren Schließung stand das Gebäude jahrelang leer, die Bausubstanz drohte zu verkommen bis sich im vergangenen Jahr ein privater Investor fand, der die Villa als Wohnhaus mit Büroräumen nutzen wollte.Abbildungen:

LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen