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Münster/Siegen: Hinter Bruchsteinwand verbirgt sich technisches Kleinod

Auf den ersten Blick sieht die alte Bruchsteinwand an der Straßengabelung Gosenbacher Hütte/Am Honigsmund im Siegener Ortsteil Gosenbach wie eine gewöhnliche Stützmauer aus. Tatsächlich ist sie aber Teil einer in den Hang gebauten ehemaligen Röstofenanlage der Spateisengrube Storch & Schöneberg. Die Anlage diente in der Zeit von 1862 bis 1911 zur Aufbereitung von Roherzen. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat jetzt das seltene Dokument der Technikgeschichte als Denkmal des Monats Februar ausgezeichnet.

"Das Teilstück der Röstofenbatterie ist die einzige bekannte Anlage in Westfalen. Da sich seine herausragende Bedeutung nicht unmittelbar erschließt, ist dieses technische Kulturdenkmal, dessen Verfall immer weiter fortschreitet, nur wenig im öffentlichen Bewusstsein verankert", so LWL-Denkmalpflegerin Imme Wittkamp.

Die in der Zeit von 1862 bis 1895 gebaute Anlage bestand ursprünglich aus 14 nebeneinander aufgereihten Öfen. Sichtbar geblieben ist ein Teil der Anlage mit vier Öfen, wahrscheinlich befinden sich hinter einem Erdkegel zwei weitere Öfen. In der Außenwand fallen vor allem die Öffnungen unter niedrigen Flachbögen auf, aus denen das Röstgut entnommen wurde. Heute sind die Öffnungen zugemauert, der rechte Teil der Ofenwand wird aus statischen Gründen von zwei Betonpfeilern gestützt.

Hinter der Bruchsteinwand verborgen befinden sich noch die verfüllten Ofenschächte, die aus Schamottesteinen kreisrund gemauert sind. Diese Schächte wurden von oben beschickt. Auf dieser oberen Ebene standen die Betriebsgebäude und die Fördergerüste des Alten und Neuen Schachtes. So ergaben sich kurze Wege von den Schächten zu den Öfen.

Hintergrund

Nach dem Bau der Ruhr-Sieg-Bahnstrecke stiegen die Erzausfuhren aus dem Siegerland ins Rheinisch-Westfälische Industriegebiet stark an. Damit gewann auch das Erzrösten an Bedeutung, denn dabei verliert das Erz 30 Prozent an Gewicht und lässt sich günstiger transportieren. Deshalb entstanden auf allen wichtigen Gruben des Siegerlandes Röstofenanlagen.

Gosebach_2.450.jpg(Foto: Peter Weller, 1912)

Die Grube Storch & Schöneberg besaß um 1900 etwa 50 Öfen. Die meisten von ihnen lagen auf beiden Seiten der Straße von Niederschelden nach Gosenbach in der Nähe der Förderschächte. Als die Grube 1911 ausgebaut wurde, entstand am Rothenberg eine mechanische Aufbereitung und eine neue Röstanlage mit 26 Öfen. Bis auf das lange Zeit unbeachtete Teilstück der Ofenanlage am Honigsmund sind mittlerweile alle Ofenanlagen im Siegerland verschwunden.

Eisenerz muss vor der Verhüttung aufbereitet werden, dazu gehört das Rösten. Dabei wird der Anteil an Kohlenstoff, der die Zähigkeit der Eisenschmelze beeinträchtigt, ausgetrieben. Außerdem wird das Erz beim Rösten von Schwefel gereinigt und mit Sauerstoff angereichert. Bei diesem Vorgang verliert das Erz 30 Prozent an Gewicht.

Die Ofenhöhe betrug zunächst vier bis fünf Meter. Zunächst wurden die meisten Öfen aus Bruchstein oder Ziegelstein rechteckig gemauert und mit feuerfestem Material ausgekleidet. Ab 1898 wurden sie allmählich von hohen, runden und mit Eisenblech umkleideten Öfen abgelöst.