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Berlin/Düsseldorf: Kaiser Wilhelm II – Monarch der beginnenden Moderne

Unter den vielen biographischen Werken, die in letzter Zeit über Wilhelm II erschienen, beschäftigt sich die von Wolfgang König bei Schöningh in Paderborn herausgegebene Arbeit „Wilhelm II. und die Moderne. Der Kaiser und die technisch-industrielle Welt“ (330 Seiten) intensiv mit dem Verhältnis des Kaisers zur industriellen Moderne und seine Bedeutung für deren Entwicklung in Deutschland.

Der Verlag formuliert dazu: „ Wilhelm II. ist bis heute eine Reizfigur, voller innerer Widersprüche und vielen gegensätzlichen Urteilen unterworfen. Gerade deswegen bleibt das Interesse an seiner Person groß. Wolfgang König, Professor für Technikgeschichte an der TU Berlin, entdeckt ganz neue Seiten an Wilhelm II. – er rückt zum erstenmal die Bedeutung der modernen Technik und der neuen technisch-industriellen Welt für Weltsicht, Lebenswelt und praktische Politik des letzten deutschen Kaisers in den Mittelpunkt. Seine spannende Teilbiographie korrigiert viele falsche Überlieferungen und wirft neues Licht auf die Persönlichkeit Wilhelms II. und die nach ihm benannte Zeit. Wilhelm II. war Reaktionär und Modernist in einem, der Tradition und Vergangenheit verhaftet und zugleich der Zukunft zugetan. Neuerungen wie Elektrizität, Automobile, Eisenbahnen, Funk und Flugzeuge erweckten – wenn auch nicht immer sofort und nicht immer gleichermaßen – sein Interesse, von seiner Begeisterung für neue Entwicklungen für die Kriegsmarine ganz zu schweigen.

Wolfgang König relativiert zwar die technische Kompetenz und Konsequenz des Kaisers, schreibt ihm aber durchaus beträchtliche politische Einflüsse und gesellschaftliche Wirkmächtigkeit zu. Der Kaiser initiierte Entscheidungen und Gesetze, wenn auch eine kohärente Technologie- und Industriepolitik daraus nicht erwuchs. Seine Aktivitäten werteten Bildung und Wissenschaft, Technik und Industrie sowie Ingenieure und Industrielle auf und leisteten damit einen Beitrag zur Modernisierung Deutschlands.“

Rezensent Martin Kohlrausch nennt die Arbeit eine „so solide wie anregende Pionierstudie“, von der „eine kulturell erweiterte Technikgeschichte als auch eine strukturgeschichtlich angelegte Geschichte der wilhelminischen Monarchie“ profitieren würden. (Link zur Rezension [1])

Selbst Kritiker bescheinigen dem Autor, er begeistere durch eine „tadellosen Analyse modernster wilhelminischer Forschungs- und Technikpolitik“. (amazon)

FS_1911.450.jpgPopulärer Kaiser: Sonderausgabe zur Brückeneinweihung in Köln

VDI-Tagung

Unter der Überschrift „Flotte, Funk und Fliegen. Leittechnologien der Wilhelminischen Epoche (1888-1918)“  ist die diesjährige Jahrestagung der VDI-Gruppe Technikgeschichte [2] der Regierungszeit Wilhelms II. gewidmet:

„Was verbinden wir mit Technik im Wilhelminischen Kaiserreich? Erste Automobile, die Anfänge der Elektrifizierung und der Luftfahrt, schließlich Schlachtflottenbau und die Rüstungstechnik des Ersten Weltkrieges. Tatsächlich kam es in der Wilhelminischen Epoche zur Entfaltung innovativer Leitsektoren der Hochindustrialisierung. Sowohl die existierenden, als auch die neuen Industriezweige profitierten von Technologieschüben. Der Einfluß der Technik- und Naturwissenschaften auf die Entwicklung von Verfahren und Produkten nahm erheblich zu. Der Kaiser war technikbegeistert und unterstützte die professionellen Interessen der Technischen Intelligenz. Mehr aber noch erlangte die Technik entscheidende Bedeutung für die Umsetzung der Großmachtansprüche des Deutschen Reiches. Der Flottenbau führte zur Einführung innovativer Technologien im Schiffbau, der Navigation und der Nachrichtenübermittlung. Vornehmlich aus militärischen Gründen engagierte sich der Staat bei der Entwicklung der Fliegerei leichter und schwerer als Luft.

Die von Prof. Helmut Maier (Ruhr-Universität Bochum) organisierte Tagung macht sich zur Aufgabe, die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien während der Wilhelminischen Epoche im ökonomischen und politischen Kontext zu diskutieren. Dazu gehört, den vorherrschenden Trend der Gründung von solchen Forschungs- und Versuchseinrichtungen inden Blick zu nehmen, die dem Ziel imperialer Machtausübung und der Kolonialisierung dienlich waren. Die Beiträge sollen Technikgeschichte in ihrer gesellschaftlich-kulturellen Funktion begreifen oder sich der Fortentwicklung der Maschinen, der Verfahren und des technischen Wissens widmen.“

Das Programm:

Donnerstag, 26. 2. 2009

14.00 Helmut Maier: Begrüßung und Eröffnung

14.15 Eckhard Schinkel: Rudolph Haack (1833-1909) und die "persönliche Monarchie". Zur Rolle von Führungseliten im Wilhelminischen Kaiserreich

14.45 Werner Tschacher: Herrschafts-Technik im lokalen Raum. Die Besuche Wilhelms II. in Aachen im Juni 1902 und Oktober 1911

15.15 Eike Lehmann: Über die Entstehung des wissenschaftlichen Schiffbaus in Deutschland

15.45 Kaffeepause

16.15 Siegfried Buchhaupt: Felix Lincke (1840-1917), seine Analyse der Schiffsteuermaschine und Vision der Entwicklung der Maschine zum Automaten

16.45 Stefan Krebs: „Deutschlands Größe beim Wettbewerb der Völker“ – Großmachtträume als diskursive Ressource für den Ausbau der Technikwissenschaften

17.15 Norman Pohl: Stoffe mit besseren Eigenschaften? Zum ökonomischen und kolonialen Kontext chemischer Produktion in der wilhelminischen Epoche

Freitag, 27. 2. 2009

9.00 Rüdiger Haude: Starre und weniger starre Systeme

9.30 Ralf Spicker: Zwischen Volksbegeisterung, privater und militärischer Konkurrenz:Die Entwicklung des Starrluftschiffs als Waffe im Spiegel des Flottenbaus

10.00 Franz Jungbluth: Zwischen Technikbegeisterung und „vaterländischer Pflicht“. Außendarstellung und Binnenperspektiven des Schütte-Lanz-Luftschiffbaus 1909-1917

10.30 Kaffeepause

11.00 Volker Mende: Allerhöchster Festungsbau. Kaiser Wilhelm II. und die Panzerfrage

11.30 Alexander Kierdorf: Eisenbeton – eine deutsche Erfolgsgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts

12.00 Thomas Irmer: Tönende Funken auf tönernen Füßen? Der Elektrokonzern AEG und das "System Telefunken"

12.30 Abschlußdiskussion