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Blumberg/Baden: Berühmte Taschentuch-Weberei Egon Eiermanns vor dem Abriss

Nach Presseangaben soll noch im Februar 2009 mit dem Abbruch der Eiermann-Fabrik begonnen werden. Schon vor zehn Jahren hatte die Architektur-Wochenzeitschrift Bauwelt auf die Suche nach einer neuen Nutzung für die seit 1995 leerstehende Fabrik aufmerksam gemacht (Heft 7/1998). Jetzt  charakterisiert Kaye Geipel in Heft 32/2008 den Bau unter anderem so:

„Eine lange Horizontale, ein flaches Giebeldach, eine gewellte Eternitfassade und ein dunkler Sockel: Die Taschentuchweberei in Blumberg ist von allen Industriebauten der frühen fünfziger Jahre derjenige, der das Versprechen, mit geringstmöglichem Einsatz an Material das suggestive Potential einer neuen Architektur zu verkörpern, am deutlichsten sichtbar gemacht hat.“

Im Laufe des Jahres 2008 wurde der Abbruch schrittweise vorbereitet; nach Medienangaben überstiegen gutachterlich ermittelten Unterhalts- die Abrisskosten; konstruktiv bedingte Bauschäden begrenzten zudem die Nutzungs- und Lebensdauer der Anlage.

Der Bau der Taschentuchfabrik war eine indirekte Folge der NS-Autarkie-Wirtschaftspolitik: Sie sollte neue Arbeit in die ursprünglich als Bergarbeitersiedlung zum Abbau von minderwertigen Doggererzen errichteten Neubaugebiete von Blumberg bringen. Dazu wurde der Taschentuchfabrikant Gustav Winkler aus dem führenden deutschen Taschentuchzentrum Lauban/Schlesien gewonnen, der in Blumberg mit Marshallplan-Geldern unter dem Namen Lauffenmühle die zeitweise weltweit größte Taschentuchfabrikation aufbaute. (Darstellung im Rahmen der WIM-Ausstellung „Aufbau West“)

Egon Eiermann hatte seine Laufbahn in den 1930er Jahren vor allem mit Industriebauten in Berlin begonnen. Als Architekt und Professor in Karlsruhe wurde er schnell einer der führenden Entwerfer der Nachkriegszeit mit kompromisslos modernen und vielseitigen Bauten in vielen Bereichen, die heute teilweise Symbole des Wiederaufbaus und der „Bonner Republik“ sind: Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin und das Abgeordnetenhochhaus „Langer Eugen“ in Bonn.

Während in vielen Bereichen heute die Architektur der Nachkriegsjahre inventarisiert und geschützt wird, gelten die – oft besonders schnellem Wandel unterworfenen –  Industriebauten als bisher unzureichend erforscht und verschwinden weithin unbeachtet.

Links

Website Eiermannbauten.de (mit vielen Fotos)

Eiermann-Biographie bei archINFORM

Gustav Winkler-Portrait des WIM

Bauwelt-Artikel von Kaye Geipel als PDF (innerhalb des Inhaltsverzeichnisses)

SAAI Südwestdt. Archiv für Architektur und Ingenieurbau mit Egon-Eiermann-Nachlass

(Foto: SAAI / Eberhard Troeger, Hamburg)