Industriekultur

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Lauchhammer: IBA SEE-Projekt Biotürme Lauchhammer fertiggestellt

Wie die IBA mitteilte, wurde das Turmensemble seit 2006 für ca. 1,4 Millionen Euro grundlegend saniert und das Umfeld neu gestaltet. Als Erinnerungs- und Veranstaltungsort finden die Biotürme nun eine neue Bestimmung. Die Minister würdigten den Einsatz im Kampf um die Erhaltung der Industrieanlage und den damit bewiesenen Mut, an außergewöhnlichen Projekten festzuhalten. Nach den Festreden wurden die Biotürme mit einem „Balanceakt“ der Seiltänzer „Trabers“ eröffnet. Besucher hatten die Gelegenheit, eine der sechs Turmgruppen zu besteigen. Sie wurde zu einem Aussichtsturm umgebaut, an dem in 16 und 19 Meter Höhe auch zwei Aussichtskanzeln angebracht worden sind. Interessierte können jeden Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr mit dem Traditionsverein Braunkohle Lauchhammer e.V. auf dem Gelände eine Entdeckungstour unternehmen.

Die Biotürme der ehemaligen Großkokerei sind das letzte Überbleibsel einer ehemals gewaltigen Industrieanlage in Lauchhammer. Dort wurde in den 50er Jahren nach dem Verfahren von Bilkenroth & Rammler aus Braunkohle Hochofentemperaturkoks hergestellt. Das war ein technologischer Durchbruch und stellte die Grundlage für die Entwicklung der Schwerindustrie in der damaligen DDR dar. Somit ging in Lauchhammer die weltweit erste Großkokerei in Betrieb. Täglich wurden 7000 Tonnen Feinstkornbriketts verarbeitet, aus denen 3000 Tonnen Koks hergestellt wurden. Bei dem Verfahren fielen jedoch phenolhaltige Abwässer an, die in verschiedenen Klärstufen in den Turmtropfkörpern, den so genannten Biotürmen, verrieselt und durch Bakterien abgebaut wurden. Der Bakterienrasen befand sich auf Schlackesteinen im Innern der Turmanlage. Im nachgeschalteten Belebtschlammbecken, das ebenfalls vor dem Abriss bewahrt werden konnte, wurde das Wasser von den restlichen Inhaltsstoffen gereinigt.

Die politische Wende um 1990 hatte einschneidende energiepolitische und wirtschaftliche Konsequenzen für die Lausitz und so kam es 1991 zur Stilllegung der Kokerei in Lauchhammer. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauverwaltungsgesellschaft (LMBV) erhielt den Auftrag, die Industrieanlagen zurückzubauen. Angesiedelte Brikettfabriken und Kraftwerke verschwanden spurlos. Lediglich die Biotürme konnten aufgrund ihrer technikgeschichtlichen Bedeutung im Jahr 1996 unter Denkmalschutz gestellt und vorerst vom Abriss verschont werden.

Auch das Gründungskuratorium der Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land erkannte den Wert des Industriedenkmals und nahm es in die Projektliste auf. Mit der Bildung der IBA-Arbeitsgruppe Lauchhammer im Mai 2000, der auch die Lokale Agenda 21 Lauchhammer e.V., der Kultur- und Heimatverein Lauchhammer e.V. und der Traditionsverein Lauchhammer angehören, begann der Kampf um den Erhalt und die Suche nach Ideen für eine mögliche Nachnutzung. Mit verschiedenen Aktionen wie dem Tag des offenen Denkmals 2001 und einer eindrucksvollen Lichtinstallation 2002 zog man Aufmerksamkeit und viele begeisterte Besucher zu den Biotürmen. Doch im Oktober 2002 gaben die Stadtverordnetenversammlung Lauchhammer und der Landkreis Oberspreewald-Lausitz ein klares Zeichen, dass aufgrund finanzieller Risiken eine Übernahme des Objektes nicht möglich war. Nachdem am 31.12.2002 der Betrieb der Bioturmanlage eingestellt wurde, waren auch die unter Denkmalschutz gestellten Turmtropfkörper vom Abriss bedroht. Ein Jahr war Zeit, um einen neuen Eigentümer zu finden. Es folgten viele Gespräche mit politischen Vertretern und die intensive Suche nach einem neuen Eigentümer.

Eine Lösung zeichnete sich im Juni 2003 ab, als die Übernahme durch die Stiftung Kunstgussmuseum vorgeschlagen wurde. Damit verlängerte sich die von der LMBV gesetzte Frist bis zum 30. Juni 2004. Nachdem ein Bauzustandgutachten erarbeitet und weitere Voraussetzungen geprüft waren, erklärte sich die Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer im Juni 2004 bereit, die Biotürme zu übernehmen. Das Industriedenkmal wurde aus der Bergaufsicht entlassen, als es in das Eigentum der Biotürme Lauchhammer gGmbH überging, einer 100%-igen Tochtergesellschaft der Stiftung Kunstgussmuseum Lauchhammer. Nach Bewilligung der Fördermittel begannen 2006 die Sanierungsarbeiten unter der Leitung des Ingenieurbüros Peter Jähne aus Cottbus. Insgesamt flossen fast 1,4 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung, aus Mitteln der Bergbausanierung und aus Eigenmitteln der Biotürme Lauchhammer gGmbH.

Am 17. Juli 2008 wurden die sanierten Biotürme eröffnet. Eine der sechs Turmtropfkörpergruppen ist jetzt als Aussichtsturm begehbar. Über zwei gläserne Kanzeln in 16 und 19 Meter Höhe ist auch ein Austritt möglich. In Zusammenarbeit mit dem Traditionsverein Braunkohle Lauchhammer e.V. finden an den Wochenenden Führungen auf dem Gelände und auf die Turmanlage statt. Darüber hinaus soll künftig in Ausstellungen Bezug auf den technikhistorischen Kontext genommen werden und das Thema Energie in einem breiteren Spektrum Beachtung finden. Zudem steht das Turmensemble für verschiedenste Veranstaltungen zur Verfügung, z.B. für Konzerte, Theateraufführungen und als eindrucksvolle Kulisse für Film- und Fotoaufnahmen.

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Die bauliche Erscheinung der Biotürme ist weltweit einzigartig: Auf einem Planungsraster von 8 x 8 Meter ragen die Turmtropfkörper 22 Meter hoch in den Himmel. Jede der sechs Turmtropfkörpergruppen besteht aus vier Türmen, die sich um ein gemeinsames Treppenhaus gruppieren. Im Zusammenspiel erinnern sie an das weltberühmte achteckige Castel del Monte in Italien, ein mittelalterlichen Schloss des Hohenstaufer-Kaisers Friedrich II. Die Einmaligkeit der historischen Baukörper wirkt durch die zwei transparenten Glaskanzeln noch spektakulärer. Die Kanzeln ermöglichen ein ganz besonderes Raumerlebnis zwischen den sechs Turmtropfkörpergruppen in einer weitgehend original erhaltenen Gesamtkulisse.

Die Anlage ist an Wochenenden und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet und sonst auf Anfrage zugänglich; der Eintritt beträgt 3, ermäßigt 1,50 Euro.

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(Quelle: Iba SEE)