Industriekultur

Magazin für Denkmalpflege, Landschaft, Sozial-, Umwelt- und Technikgeschichte

Vorträge & Tagungen

310 Meter unter dem Rhein. Eine Schicht in der Erzgrube „Gute Hoffnung“

"Über die ganze Erdoberfläche sind die fündigen Orte verteilt. In den letzten Jahren werden sie aber immer mehr von Geologen mit wissenschaftlichen Hilfsmitteln festgestellt. In allen Erdteilen graben Bergleute nach Kohle, Kupfer, Uran, Gold oder, wie in unserer engen Heimat, nach Zink-Blei-Erzen.

Die Bewohner der kleinen Orte Wellmich und Ehrentahl sind daran gewöhnt, dass täglich in den Mittags- und Abendstunden tief aus der Erde die Sprenungen zu vernehmen sind. Diese, sowie die sich täglich vergrössernde Halde bringen Kunde von der schweren Arbeit, die der Bergmann auf den einzelnen Erzabbauen beim Schiessen des Schachtes, eines Querschlages oder dem Auffahren eines Gangortes verrichtet.

Es ist 6.00 Uhr. Von nahen Rhein hört man die Schleppzüge mit der beginnenden Helligkeit ihr Tagwerk aufnehmen. Nun "befahren" die Bergleute im Gänsemarsch, jeder eine brennende Karbidlampe in der Hand, durch das Mundloch den Auguststollen. Nach 5 Minuten erreicht man den Blindschacht Wellmich. Hier gibt es für die Lehrhauer eine Atempause, denn der Reviersteiger händigt im Pulverraum, der durch 3 Eisentüren gesichert ist, den Schiesshauern die Sprengstoffe für den jeweiligen Tag aus.

Schnell ist der Förderkorb mit 10 Personen besetzt, und der Anschläger gibt das Hängezeichen auf die 180m-Sohle. Mit dem gleichmässigen Anlaufen der elektrischen Fördermaschine fällt der Korb mit 4m/sek. in die Tiefe. Auf der Stollensohle, die mit der Rheinstrecke verbunden ist, steigen wir aus. In den Jahren 19__ bis 19__ (1942-1944; Anmerk. der Redaktion) hat man diesen Stollen gebaut, der in 180m Tiefe unter dem Rhein von Prinzenstein nach Ehrental und weiter nach Wellmich führt. Erst dieser Rheinstollen ermöglichte ein wirtschaftlicher Abbau der rechtsrheinischen Blei- und Zinkvorkommen.

Der Förderkorb wird durch das Klopfzeichen freigegeben, um die restlichen Bergleute anzufahren. Ein fernes Rollen kündigt den Diesellokzug mit den Hunsrückern an. Ein reger Betrieb entwickelt sich am Schacht; die Steiger belegen mit alter Routine die einzelnen Arbeiten, und schnell ist die Personenförderung auf die 6 Sohlen ausgeführt. Grundsätzlich kommt auf jede Arbeit ein Schiess- und Lehrhauer, die nach Möglichkeit den ganzen laufenden Monat zusammen arbeiten.

Leitern, hier in der Grube Fahrten genannt, führen eng und steil 50-60m in die Höhe und sind als Fahrrollen die Wege, die zur Arbeit auf den Abbau führen. Nach einer mühsamen Kletterpartie, oft noch von Werkzeugen und Ersatzteilen behindert – der Kumpel hat dafür den Sammelbegriff "Gezähe" – erreicht er seinen Arbeitsplatz. Hier liegt wirr auf- und übereinander, in den verschiedensten Grössen und Formen, der von der Gegenschicht geschossene Abschlag. Hell blinkt uns im Schein der Lampe des Bleierz an, hier und da von dunkler Zinkblende durchwachsen. Weisser Quarz, Schiefer und Grauwacke bilden ein riesiges Haufwerk, das bis zum Schichtende in anstrengender Arbeit blank gemacht werden muss. Mit geübten Blick holt der Hauer mit einer Brechstange gelockertes Gestein aus dem First und dem Hangenden und sichert sich damit gegen ein plötzliches heraus brechen von Gestein. In dieser Zeit schliesst der Lehrhauer den Wasserschlauch an die Rohrleitung an und spritzt schnell das Haufwerk nass. Denn der gefährlichste Feind des Bergmannes ist der trockene Steinstaub, der in den Jahren langsam zur Staublunge (Silikose) und damit zur Arbeitsunfähigkeit führt. Mit Kratze und Trog geht es an das Haufwerk. Grössere Brocken werden mit der Kreuzhacke und dem schweren Hammer bearbeitet und in die Sturzrolle getragen. Deutlich hört man, wie das Erz hinunter in den Rollkasten fällt, wie es später von den Schleppern herausgezogen und zur Förderung an den Schacht gebracht wird.

Von einem anderen Abbau dringt das harte, schnelle Hämmern der Pressluftbohrmaschine, und im Gestein vernimmt man das knirschende Arbeiten des Bohrers. Die Zeit für ein Sprengloch zu bohren ist sehr verschieden und hängt zum Teil davon ab, ob man im weichen Erz, im Schiefer oder in der harten Grauwacke bohren muss. Es gehört zum Schiessen wie zum Bohren grosse Erfahrung, die ein Bergmann bei den verschiedensten Arbeiten nur in jahrelanger Praxis erwirbt.

Bis auf wenige Ausnahmen wird im Bergbau nur nach dem Leistungsprinzip bezahlt. Je nach Lage und Umstände richtet es sich nach dem laufenden Meter, nach Quadratzentimetern oder Zentimetern, bzw. nach der geförderten Tonne Erz. Um die Rentabilität einer Grube zu erhöhen und sozialen Belangen entgegenzukommen, wird bei einer Mehrleistung eine Prämie gezahlt, die für den einzelnen Bergmann eine willkommene Beigabe von monatlich 10.00 bis 40.00 (DM) bedeutet. Bei der laufenden Arbeit geht die Schicht unter Tage schnell herum. Der Hauer besetzt die Bohrlöcher mit Sprengstoff und bringt mit einem Zündlicht die Schnur zum Brennen. Nach 3 – 4 Minuten ertönt die Sprengdetonation und gibt den durch die Fahrrollen abfahrenden Bergleuten Kunde von dem einwandfreien Schichtende.

Alles sammelt sich am Blindschacht Wellmich, und die Personenförderung beginnt zur vorgeschriebenen Zeit. Auf der 180m Sohle setzten sich die Kumpels vom Hunsrück in einen leeren Erzwagen, und mit dem nach aussen hängenden Grubenlampen gleicht der abfahrende Diesellokzug einem feurigen Wurm, der sich tief unter dem Rheinstrom durch das Gebirge frisst."

————

Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von Max Greiff in die elektronische Form wörtlich übernommen.

Herr Greiff fuhr vom 20.7.1949 bis zum 4.7.1952 in die Grube Gute Hoffnung/Prinzenstein ein.

Kurz vor seinem Tod übergab er diese Aufzeichnungen im Frühjahr 2001 den Arbeitskreis Bergbaupfad Mittelrheintal.