Industriekultur

Magazin für Denkmalpflege, Landschaft, Sozial-, Umwelt- und Technikgeschichte

Vorträge & Tagungen

Frankreich: Lothringen – Hayange

Im Zentrum der Veranstaltungen stand eine umfangreiche Ausstellung im Saal Molitor zur Entwicklung der Eisen- und Stahlindustrie im Fensch-Tal, die untrennbar mit der Dynastie der Familie de Wendel verbunden ist. Im Todesjahr 1737 des Gründers Jean-Martin de Wendel besaß die Familie in Hayange bereits fünf modernisierte Hüttenbetriebe. Im Januar 1769 wurde unter Ignace de Wendel der erste mit Koks betriebene Hochofen angeblasen. Sein Sohn François de Wendel führte nach einem Aufenthalt in England um 1811 das Puddelverfahren ein. Den Durchbruch brachte der Erwerb des exklusiven Nutzungsrechts des Thomas-Verfahrens für 15 Jahre. Im Februar 1881 wurde das erste Thomasstahlwerk in Hayange in Betrieb genommen. Nun war es möglich, das Roheisen aus der phosphorhaltigen Minette in großem Umfang zu hochwertigem Stahl zu verarbeiten.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein der Entwicklung war die Gründung der Gesellschaft Sollac im Jahr 1948 zur Einführung moderner Walzstraßen. Zunächst eine Gemeinschaftsgründung von neun lothringischen Hütten-Unternehmen, übernahm de Wendel bald die Vorherrschaft und integrierte schließlich Sollac in den Konzern Sacilor. Die Ära deWendel endete 1971, als Henri II. deWendel als Vorstandsvorsitzender von Sacilor zurücktrat. Zugleich begann der Nieder- Niedergang der lothringischen Stahlindustrie. Die Rolle der „Maîtres des Forges“, der Stahlbarone Lothringens, war auch Thema eines Vortrags von Michel Printz am 30. März 2004. Darin wurde aufgezeigt, dass ein „Maître des Forges“ nicht einfach Hüttenbesitzer war, sondern meist zugleich Ingenieur, technischer und kaufmännischer Direktor.

Einen Eindruck vom Paternalismus der deWendels bekam man bei den Führungen durch die Arbeitersiedlungen „cité Gargan“ bzw. „faubourg Sainte-Berthe“. Beide waren verbunden mit einem Besuch des Bergbaumuseums in Hayange-Neufchef. Laut Angabe der Lokalpresse nahmen über 2.000 Besucher an den Veranstaltungen der Festwoche teil. Besonders hervorzuheben sind noch die Bemühungen der Veranstalter um die Einbeziehung von Schülern und Jugendlichen. Denn abgesehen von den noch arbeitenden Werken von Corus und Sollac kennen sie von der industriellen Vergangenheit ihrer Heimat nur die zahlreichen Industriebrachen, die seit den Stilllegungen der 1970/80er Jahre entstanden sind.

 

W.S.