Chemnitz: Tagung „Die industrielle Stadt. Lokale Repräsentationen von Industriekultur im urbanen Raum seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert“ im Juni 2017

Das Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V. veranstaltet in Verbindung mit
dem Sächsischen Staatsarchiv – Staatsarchiv Chemnitz am 15. und 16. Juni 2017 eine Tagung zum Thema „Die industrielle Stadt. Lokale Repräsentationen von Industriekultur im urbanen Raum seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert“. Vorträge können bis Ende 2016 eingereicht werden…

„Die Entwicklung des Industriekapitalismus in der klassischen Moderne ist eng verknüpft mit dem Wachstum und der Ausdifferenzierung von kleineren und mittleren Städten. Physisch-materiell wie diskursiv waren Industrialisierung und Urbanisierungsprozesse miteinander verflochten und bedingten sich gegenseitig. Fast alle Städte wurden von dem dynamischen Wachstum der Industrie in der einen oder anderen Weise berührt, von Bevölkerungswachstum und sozialer Ausdifferenzierung bis zu baulichen Veränderungen und dem Wandel der natürlichen Umwelt. Der urbane Raum stellte so ein neu definiertes Spielfeld von Interessen, Bedürfnissen, Konflikten und den damit einhergehenden Handlungsstrategien unterschiedlichster Akteure dar.

Die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einsetzende Dynamisierung von Stadt- und Industrieentwicklung wurde zur Grundlage der Industriekultur als der „gesamten Kulturgeschichte des Industriezeitalters in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ (Handlungsempfehlungen des wissenschaftlichen Beirates für Industriekultur in Sachsen, 2010). Seit den ausgehenden 1960er-Jahren hat parallel zu dem Niedergang der klassischen Industrie eine wachsende öffentliche Beschäftigung mit der Industriekultur eingesetzt. In der postindustriellen Gesellschaft soll das Schlagwort der Industriekultur als Klammer zwischen dem historischen Erbe und dem raschen ökonomischen Wandel der Gegenwart dienen. Sie ist damit Bestandteil eines Kulturalisierungsprozesses von Ökonomie, der auch für die kleineren und mittleren Städte jenseits der Metropolen und industriellen Agglomerationen nicht folgenlos bleibt.

Ausgehend von einem offenen Verständnis von Industriekultur widmet sich die Tagung der Frage, wie sich die Beziehung zwischen kleineren und mittleren Städten und der Industrie seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart in lokaler bzw. regionaler Perspektive entwickelt hat. Dabei soll das Thema multiperspektivisch beleuchtet werden und sich sowohl mit der dinglich-materiellen Seite der Industrie (z. B. Fabrikgebäude, Arbeitersiedlungen, technische Artefakte), den sozialen Verhältnissen (Lebens- und Arbeitsbedingungen von Arbeitern und Angestellten, Milieubildung usw.) wie auch kulturellen Entwicklungen (Selbstbilder von Industriestädten, künstlerische Repräsentation von Industrie usw.) befassen. Ziel ist es, den Einfluss der Industrie auf die Entwicklung der Stadt und des ‚Städtischen‘ außerhalb eines großstädtischen Kontextes zu erfassen und dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang verschiedener Städte mit der Industrie herauszuarbeiten. Ausdrücklich sollen dabei auch Prozesse der Selbstreflexion über städtische Identitäten in ihrer historischen Genese herausgearbeitet und hierdurch der heute gängige Begriff der Industriekultur historisiert werden.
Vor diesem Hintergrund können sich Tagungsbeiträge auf folgende
Themenkomplexe und Fragen beziehen:

1. Wechselwirkungen
– Welche Auswirkungen hatten lokale und regionale Industriestrukturen auf die Ausprägungen städtischer Institutionen, Bauweisen, Öffentlichkeiten und Politiken?
– Welche städtischen Akteure traten und treten im Zusammenhang mit der Industriekultur in Erscheinung?
– Wie beeinflussten Industrialisierungs- und Deindustrialisierungsprozesse die Ausprägung städtischer Selbstbilder?

2. Begriffe und Diskurse
– Wie hat sich der Begriff der Industriekultur entwickelt und mit welchen Bedeutungen wurde er versehen? Inwiefern wurde dabei Industriekultur als ’städtisch‘ verstanden?
– Welche Diskurse um die Beziehung zwischen Stadt und Industrie lassen sich lokal und regional verorten? Welche unterschiedlichen Strategien im Umgang mit Industriekultur lassen sich in verschiedenen Städten ausmachen?
– In welchem Verhältnis standen und stehen unterschiedliche Zugänge zur Industriekultur (materielle/immaterielle kulturelle Überlieferung, historische/gegenwartsbezogene Betrachtungsweise) zueinander?

3. Bilder und Medien
– Welche Bilder der gegenwärtigen und zukünftigen Stadtentwicklung wurden entworfen?
– In welchen Medien wurde und wird über Industriekultur in der Stadt verhandelt?
– Wie beeinflusste die industrielle Entwicklung die Imagebildung von Städten?
Erbeten werden Beiträge aus der Volkskunde/Europäischen Ethnologie, Geschichtswissenschaft, Kulturwissenschaft, Soziologie, Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie aus angrenzenden Fächern.

Bitte senden Sie Ihre Vortragsvorschläge im Umfang von bis zu 3.000 Zeichen sowie Angaben zu Ihrem Forschungsgebiet und CV bis zum 31.12.2016 an
soenke.friedreich@mailbox.tu-dresden.de.

Die Kosten für An- und Abreise und Unterkunft werden übernommen. Eine Veröffentlichung der Beiträge ist geplant.

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Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V.
http://www.isgv.de
Dr. Sönke Friedreich
Zellescher Weg 17
D-01069 Dresden
Tel.: 0049-(0)-351-436 16 43
E-Mail: soenke.friedreich@mailbox.tu-dresden.de
Tagungsort: Staatsarchiv Chemnitz, Elsasser Str. 8