Hattingen: LWL-Industriemuseum eröffnet Gebläsehaus nach abgeschlossener Sanierung

Aufbau "Technophilia" Objekte von Gerhard Hahn, Pressekonferenz, von li. nach re: Prof. Gerhard Hahn, Matthias Löb, Dirk Zache, Robert Laube

„Technophilia“ in Hattingen, von li. nach re: Prof. Gerhard Hahn, Matthias Löb, Dirk Zache, Robert Laube

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat die Sanierung des historischen Gebläsehauses seines Industriemuseums Henrichshütte Hattingen abgeschlossen. Am Dienstag (13.9.) eröffnet der LWL nach eigenen Angaben die einstige Kraftzentrale als Ort für Geschichte, Kunst und Kultur…

2,9 Millionen Euro – davon 80 Prozent Landesmittel – flossen wie geplant in die Maßnahme (wir berichteten). Mit dem Geld wurde das 110 Jahre alte Baudenkmal in den vergangenen Jahren „fit“ gemacht für die museale Nutzung: Eine neue Elektroinstallation und ein Aufzug wurden eingebaut, das Dach und andere Bereiche statisch verstärkt, Oberlichtband und Glasflächen behutsam saniert, Fehlstellen in Böden und Mauerwerk ergänzt. „Das Baudenkmal selbst ist unser wichtigstes Exponat, deshalb stand bei der Sanierung im Vordergrund, so viel historische Substanz wie möglich zu erhalten“, erläuterte Dirk Zache, Direktor des LWL-Industriemuseums.

Das Gebäude aus dem Jahr 1906 diente zu Betriebszeiten der Stromerzeugung und der Versorgung der Hochöfen mit „Wind“. Bereits 2004 hatte der LWL den östlichen Teil als Veranstaltungshalle mit Gastronomie und Foyer eröffnet. Der andere Teil, den das LWL-Museum nach seiner historischen Bezeichnung künftig „Gebläsehaus“ nennt, verfügt nach der Sanierung auf zwei Geschossen über 4.000 Quadratmeter Nutzfläche. Hier will sich das LWL-Industriemuseum künftig schwerpunktmäßig mit dem Thema Stahlerzeugung sowie der Sozialgeschichte der Hüttenarbeiter auseinandersetzen.

Bereits in den 1990er Jahren hatte das LWL-Industriemuseum in der leer stehenden Halle Großmaschinen und Aggregate installiert, die von der historischen Funktion der ehemaligen Energiezentrale zeugen. Zu den gewichtigen Exponaten zählt eine 500 Tonnen schwere Großgasmaschine – eine der letzten ihrer Art in Deutschland. Sie wurde 1993 aus Georgsmarienhütte bei Osnabrück geholt. Um die Weiterverarbeitung von Eisen und Stahl demonstrieren zu können, installierte das LWL-Industriemuseum außerdem ein Dampfhammer-Ensemble, das Mittelgerüst eines Walzwerkes und einen Thomas-Konverter.

Aber auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem historischen Ort soll künftig Platz finden im Gebläsehaus. Den Auftakt macht die Ausstellung „Technophilia“ (13. September 2016 bis 26. Februar 2017) des Ingenieurs, Künstlers und Designprofessors Gerhard Hahn, der seit vielen Jahren mit Werkstoffen der Groß- und Schwerindustrie experimentiert. In der Henrichshütte Hattingen sind Arbeiten unter anderem aus Keramik und Eisen zu sehen.

Präsentiert werden in der Halle außerdem zwei Modelle inzwischen abgerissener Teile der Henrichshütte: Ehemalige Hüttenwerker haben das ehemalige Stahl- und das Walzwerk im Maßstab 1:100 in den vergangenen zehn Jahren für den Förderverein und damit für das Museum akribisch erarbeitet. „Das ein großartiges Geschenk zur Eröffnung“, freut sich Löb.

Hintergrund: Historisches
Die 1854 gegründete Henrichshütte zählt zu den ältesten Hüttenwerken des Reviers. Bis zu 10.000 Menschen arbeiteten in den verschiedenen Betrieben zur Eisen- und Stahlherstellung sowie Walz- und Schmiedebetrieben. In 133 Jahren erlebte die Henrichshütte den Aufstieg, die Blüte und den Niedergang der Eisen- und Stahlindustrie im Revier. Gegen den erbitterten Widerstand der Region wurde am 18. Dezember 1987 der letzte Hochofen ausgeblasen. 1989 übernahm der LWL das Hüttenwerk an der Ruhr als letzten von insgesamt acht Standorten in sein Landesmuseum für Industriekultur. Den östlichen Teil der Gebläsehalle baute der LWL mit Mitteln des Landes zum Veranstaltungsort aus. Seit 2004 finden hier Konzerte, Märkte und Firmenveranstaltungen mit bis zu 2.000 Gästen statt.

Im der Gaszentrale schlug einst das Herz der Hütte. Hier arbeiteten die Großgasmaschinen. Elf dieser Giganten waren zu Hochzeiten im Einsatz, um auf der Basis von Hochofengas Strom und Wind zu erzeugen. Bis in die 1960er Jahre hinein deckten sie einen Großteil der Energieversorgung ab. Weil diese Dinosaurier der Kraftwirtschaft mit den gestiegenen Leistungsanforderungen im Bereich der Hütten¬techno¬logie nicht mehr Schritt halten konnten, wurde die Stromversorgung ab 1962 neu organisiert. Lediglich die Winderzeugung für die Hochöfen erfolgte noch bis Ende der 1970er Jahre mit Hilfe der Gasgebläsemaschinen. Dann reichten auch hierfür die Kapazitäten nicht mehr aus, und die Henrichshütte stellte vollständig auf Turbinen um. Zwischen 1979 und Mitte der 1980er Jahre ließ der Betrieb die Maschinen nach und nach verschrotten. Die Halle diente bis zur Stilllegung als Lager und Lok-Reparaturwerkstatt.

Eröffnung
Bei der Eröffnung am Dienstag (13.9.) um 19.30 Uhr begrüßt LWL-Direktor Matthias Löb die Gäste. NRW-Bauminister Michael Groschek hält ein Grußwort. Anschließend steht ein „Hütten-Talk“ auf dem Programm. Teilnehmer sind u.a. Bürgermeister Dirk Glaser und der Kunsthistoriker Dirk Tölke. Für die musikalische Umrahmung sorgt die Rhein-Ruhr Philharmonie unter dem Dirigat von Ingo Ernst Reihl, Musikdirektor der Universität Witten / Herdecke.

Veranstaltungsort:
LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen
Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur
Werksstr. 31-33, 45527 Hattingen