Bonn: Neue Industriekulturelle Welterbe-Stätten gekürt

Während die Aufnahme von Speicherstadt und Kontorhausviertel bundesweit medial bekannt gemacht wurde, erhielten die weiteren neuen Welterbestätten kaum Beachtung. Dabei war auch in Schottland, Norwegen, Uruguay und Japan die Freude groß…

Wie die Deutsche Unesco-Kommission am 5. Juli mitteilte, wurden insgesamt neun neue Stätten und eine Erweiterung beschlossen. Neu auf der Welterbeliste sind auch die Begräbnisstätte Nekropole von Bet She’arim in Israel, die Eisenbahnbrücke „Forth Bridge“ in Schottland, die spanischen Missionen in San Antonio in den USA, die antike Stadt Ephesus in der Türkei und das Äquadukt Padre Tembleque in Mexiko. Das Komitee schrieb zudem drei Orte der Industriekultur ein: Stätten der industriellen Revolution aus der Meiji-Zeit in Japan, Wasserkraftstätten zur Industrialisierung in Norwegen und die Industrielandschaft von Fray Bentos in Urguay. Die Kulturerbestätte „Pilgerwege nach Santiago“ in Spanien wurde um vier christliche Routen erweitert. Damit besassen die industriekulturellen Stätten ein deutliches Übergewicht, und deutlich wurde auch die globale Ausbreitung der Industrie in Asien und Südamerika.

Großbritannien: Die Forth Bridge

Die Forth Bridge an der Ostküste von Schottland verbindet Edinburgh und die Halbinsel Fife. Die Eisenbahnbrücke gilt als Meilenstein in der Brückenkonstruktion. Sie wurde 1890 fertiggestellt und war mit über 2,5 Kilometern seinerzeit die längste Stahlauslegerbrücke der Welt. Die Verwendung von Stahl im Brückenbau war im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Innovation. Das Fundament der Brücke bilden drei 110 Meter hohe massive Granitpfeiler mit Fachwerkträgern zu jeder Seite. Die Auslegerarme jedes Trägers haben eine Spannweite von 207 Metern. Das Gesamtgewicht der Brücke beträgt 54.000 Tonnen. Nicht nur wegen ihrer enormen Ausmaße war die Forth Bridge seinerzeit eine Ikone. Innovativ waren auch das Design, die industrielle Ästhetik und die markante rote Farbe. Die Brücke ist bis heute in Betrieb.

Japan: Stätten der industriellen Revolution in der Meiji-Zeit

Das Ensemble von insgesamt 23 Industriedenkmälern an elf Standorten zeigt die beispiellose industrielle Revolution des Landes nach dem Vorbild der westlichen Welt. Die schnelle Industrialisierung Japans Mitte des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts gründete auf der Entwicklung der Eisen- und Stahlindustrie, dem Schiffbau und Kohlebergbau. In der ersten Phase der Industrialisierung experimentierte Japan in den 1850er Jahren in der Roheisenerzeugung und im Schiffbau. Lokale Clans trieben die Industrialisierung zur Seeverteidigung voran. Dabei übernahmen sie das Wissen der westlichen Welt und kopierten westliche Technologien. In der zweiten Phase während der Meiji-Ära in den frühen 1870er Jahren forcierte Japan die Einfuhr von Technologien aus Westeuropa und Amerika, um sich das Know-how des Westens anzueignen. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Industrialisierung erfolgreich abgeschlossen. Im Rahmen der Welterbekomiteesitzung erklärte Japan, dass in den 1940er Jahren Menschen aus Südkorea gegen ihren Willen in den Industriestätten unter harten Bedingungen arbeiten mussten. Die japanische Regierung erklärte auch, diesen Teil der Historie der Welterbestätte der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Norwegen: Stätten der Industriekultur in Rjukan und Notodden

Die Industriestätten Rjukan und Notodden in Südnorwegen veranschaulichen die Pionierleistungen der Wasserkraftindustrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Bau zweier bahnbrechender Wasserkraftwerke schaffte in Rjukan die Voraussetzung für die energieintensive Massenproduktion von Kunstdünger. Die Stadt erlangte seinerzeit Weltrang als Produzent von Düngemitteln für die weltweite Landwirtschaft. Das von dem Konzern Norsk Hydro erbaute Kraftwerk war damals die größte Turbinenanlage weltweit. 1915 nahm der Konzern ein noch leistungsfähigeres Wasserkraftwerk in Betrieb, es versorgte die chemische Schwerindustrie mit Strom. Rjukan entwickelte sich in weniger als 20 Jahren von einer Bauerngemeinde zu einer Arbeitersiedlung mit mehreren tausend Einwohnern. Die vom Konzern beauftragten Architekten entwarfen eine Stadt mit einer eindrucksvollen Architektur und hohen sozialen Standards. Die meisten Gebäude und die zwei Kraftwerke sind gut erhalten.

Uruguay: Industrielandschaft von Fray Bentos

Die Industrielandschaft von Fray Bentos ist ein frühes Beispiel für die Industrialisierung der Lebensmittelherstellung. 1863 gründete der deutsche Ingenieur Georg Christian Giebert in Fray Bentos die weltweit erste Fleischextrakt-Fabrik, die zwei Jahre später in die „Liebig’s Extract of Meat Company“ überging. Nach dem Verfahren des deutschen Chemikers Justus von Liebig und mit in England entwickelten Maschinen wurde in Fray Bentos tonnenweise Fleischextrakt hergestellt und über den Hafen am Rio Uruguay nach Europa verschifft. 1924 wurden die Fabrikanlagen von der „Frigorífico Anglo del Uruguay S.A.“ erworben und unter diesem Namen weitergeführt. Die Fabrik in Uruguay versorgte den globalen Markt wie auch die Armeen der beiden Weltkriege mit Fleischpasten und Corned Beef. Große Teile der Fabrik mit ihren Kühlhäusern, Werkhallen, Maschinen und Kaianlagen sind nahezu original erhalten. Der historische Industriekomplex umfasst außerdem zugehörige Landgüter und Arbeitersiedlungen.

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