Kassel: Aufruf für einen behutsamen Umbau des Salzmann-Gebäudes

Weitere Information unter: www.rettetsalzmann.wordpress.com

Zum Aufruf:

salzmannfabrik_06_oberlichtsaal
Aus Kassel erreicht uns folgender Aufruf:

„Industriedenkmal Salzmann & Comp. in Kassel, bedeutendes Zeugnis der deutschen Architekturgeschichte, verdient erhöhte Aufmerksamkeit bei seiner Umnutzung!

Große Teile der prägenden baulichen Anlagen aus der Epoche der Industrialisierung in Deutschland sind den Modernisierungsschüben der industriellen Produktion zum Opfer gefallen, sind stark überformt oder befinden sich in desolatem Zustand. Die Denkmalpflege hat sich erst relativ spät dieses Teils unseres kulturellen Erbes angenommen.

In dem traditionellen nordhessischen Industriestandort Kassel ist noch eine der ganz wenigen klassischen Großanlagen der Industriearchitektur aus dem frühen 20. Jahrhundert in ihrer Kernsubstanz bis heute gut erhalten: die ehemalige Weberei Salzmann & Comp. Der zweiflügelige Winkelbau mit Bauabschnitten aus den Jahren 1905 bis 1914 steht umfassend unter Denkmalschutz. Nach Einstellung der Produktion vor über 40 Jahren und teilweisem Leerstand hat die Nutzung durch Kreativwirtschaft und Gewerbebetriebe die Anlage vor zunehmendem Verfall bewahrt. Nach dem Scheitern mehrerer Umnutzungskonzepte steht die Anlage seit über einem Jahr gänzlich leer. In Planung ist nunmehr die Nutzung durch einen privaten Investor, die vorrangig auf Wohnen abzielt. Dabei ist bisher vorgesehen, nahezu die gesamte historische Kubatur hierfür auszunutzen einschließlich der Dachgeschosse.

Bei den Dachgeschossen mit ihren Oberlichtsälen handelt es sich um bauhistorisch außerordentlich signifikante Bereiche der Anlage, auf die die Aufmerksamkeit bisher zu wenig gerichtet wurde. Mit ihren stützenfreien Konstruktionen und besonderen Belichtungsarchitekturen sind sie ausgesprochen hochwertige Zeugnisse der baukonstruktiven Entwicklung auf dem Weg zur entwickelten Moderne. Dabei ist der Entwicklungsschritt von Eisengitterträger- zu Betonskelettkonstruktionen in einer Abfolge von vier frei überspannten etwa 10 m hohen Hallen realisiert. Das sucht – in einer Anlage vereint – seinesgleichen. Besonders die beiden Säle mit einer rippenförmigen Ausbildung der Tragkonstruktion – einer ca. 90 m lang – stellen eine hier noch vorhandene Bauweise dar, die in ihren Prinzipien bahnbrechend wurde für die weitere Entwicklung der Industriearchitektur und die Architekturmoderne überhaupt. Mit der Salzmann-Fabrik in Kassel ist damit ein noch unverfälschter Meilenstein der Ingenieurbau- und Architekturgeschichte existent, die in der Jahrhunderthalle in Breslau ­– einem heutigen Weltkulturerbe – seinerzeit ihren vorläufigen Höhepunkt fand.

Wir als der Architekturgeschichte und der Industriekulturpflege verpflichtete Unterzeichnerinnen und Unterzeichner ersuchen die verantwortlichen Akteure in der Stadt Kassel und im Land Hessen, sich entschlossen dafür einzusetzen, dass das Kulturdenkmal Salzmann in seinem umfassenden Denkmalwert erhalten bleibt, und dass insbesondere beim Umbau für die Oberlichtsäle mit ihren charakteristischen Konstruktionen und Raumwirkungen intelligente Nutzungen gefunden werden, die deren besonderen architekturhistorischen Merkmale für die Zukunft bewahren helfen. Der Weltkulturerbe-Stadt Kassel wäre die Anerkennung durch die europäische Industrie- und Architekturgeschichtsschreibung sicher.

 

Aus dem Rücklauf des Aufrufs:

„Die Flügel sind beide erstklassige Beispiele für ihre Stufe der Entwicklung der preußischen Ingenieursarchitektur (…). Das Besondere daran ist, dass beide Flügel im Wesentlichen vollständig sind, nämlich die stützenfreien Hallen obenauf tragen, und das eben direkt nebeneinander. Darin zeigt sich die rapide damalige Entwicklung der Industrie (…). Ein so schönes Beispiel ist mir sonst nicht bekannt“.
(Prof. Dr. em. Goerd Peschken, Bauhistoriker, Berlin, Schreiben vom 13.10.2014)

„Was für ein wunderbares Gebäude“
(Prof. Dr. Kathrin Golda-Pongratz, Architektin, Urbanistin, Barcelona, Mail vom 2.11.2014)

„Viel Erfolg bei der Erhaltung und Neunutzung dieses herausragenden Industriedenkmals“
(Axel Foehl, Industriedenkmalpfleger, Düsseldorf, Berlin, Delft, Mail vom 4.11.2014)

“Hiermit unterzeichne ich den Aufruf zur Rettung der Salzmann-Säle. Das Vergleichsbeispiel der Breslauer Jahrhunderthalle hat mir die beiden Markthallen in Breslau in Erinnerung gebracht, von Heirich Küster 1904-08, auch Betonrippen-Konstruktionen“
(Prof. Dr. em. Dr. h.c. Wolfgang Pehnt, Architekturkritiker, -historiker, Köln, Prof. ehrenhalber der Uni Kassel, Mail vom 4.11.2014)

„Wird das Salzmann-Areal einer profanen Nutzung wie etwa kleinteiligem Wohnen zugeführt, so wird eine einmalige Chance in der Stadt Kassel verpasst, in einem unvergleichlichen Industriedenkmal eine Kunstfabrik von besonderer Strahlkraft für die Stadt Kassel nachhaltig zu etablieren. Das wäre wirklich schade.“
(Dipl.ing. Bertram Schultze, Architekt, Betriebswirt, Leipzig, Nürnberg, Direktor Baumwollspinnerei, Mail vom 4.11.2014)

„Verdienstvoller Aufruf zu einem sorgfältigen denkmalgerechten Umgang mit der Weberei Salzmann“
(Prof. Dr. Anke Naujokat, Architekturhistorikerin, Aachen, Mail vom 5.11.2014)

„Ein grandioser Bau, kannte ich garnicht trotz meiner Zeit als Beirat für die documenta urbana in den frühen 80er Jahren (…). Auch finde ich in der Konstruktion Parallelen zu den Hallenbauten von Fritz Schumacher in seinen Hamburger Staatsbauten (…)
(Prof. Hans-Günther Burkhardt, Architekt, Allensbach, Ehrenvors. Fritz-Schumacher-Gesellschaft, Mail vom 6.11.2014)