Archiv für den Tag: 17. April 2012

Berlin: Ausstellung „Baumeister der Revolution. Sowjetische Kunst und Architektur 1915–1935“ im Martin-Gropius-Bau eröffnet

­Die Ausstellung „Baumeister der Revolution“ lenkt, so die Veranstalter, den Blick auf einen Bereich der sowjetischen Avantgarde, der in Europa und darüber hinaus relativ unbekannt geblieben ist: die Architektur. Auch in Russland und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind die Namen der meisten Architekten weitestgehend vergessen. Ihre Bauten sind nicht in dem Maße Teil des kulturellen Gedächtnisses geworden, wie es das „Neue Bauen“ im Westen ist.

Die Ausstellung stelle dieses beeindruckende Kapitel der Avantgarde auf ungewöhnliche Weise vor, indem sie drei inhaltliche Ebenen miteinander verschränkt. Ausgewählte Werke der frühen Avantgarde, u.a. von El Lissitzky, Gustav Kluzis, Ljubow Popowa, Alexander Rodtschenko oder Wladimir Tatlin zeigen die intensive Beschäftigung der Künstler seit 1915 mit Fragen von Form, Raum und Materialität. Nach der Revolution engagierten sie sich in verschiedenen Gremien für die Umsetzung dieser Ideale wie 1919–20 in der Kommission für die Synthese von Malerei, Bildhauerei und Architektur. Die Architekten Nikolai Ladowski, Wladimir Krinski, aber auch der Maler Rodtschenko schufen dort erste Entwürfe für die Stadtplanung und für Kommune-Häuser.

Tatlin projektierte 1919 das berühmte „Denkmal der III. Internationale“ – eine komplizierte Ingenieurskonstruktion mit beweglichen Räumen. Obwohl nicht gebaut, hat es mit seinem visionärem Potential und seiner dynamischen Formensprache die spätere Architektur des Konstruktivismus beeinflusst. Während die beeindruckenden Bilder und Zeichnungen aus der Sammlung Costakis aus Thessaloniki deutlich machen, welche Rolle das Architektonische bereits in den frühen künstlerischen Entwürfen spielte, geben Vintageprints aus dem Staatlichen Wissenschaftlichen Forschungsmuseum für Architektur A.W. Schtschussew in Moskau einen Eindruck vom architektonischen Aufbruch einige Jahre später. Die historischen Fotografien zeigen, dass die neuen Bauten nicht nur typologisch, sondern auch in ihren Dimensionen eine neue Zeit verkörperten: Sie überragten die alten urbanen Strukturen und waren ein Fanal der kommenden Industrialisierung und Umwälzung des Landes. Die Fotografien des renommierten britischen Architekturfotografen Richard Pare wiederum führen den Betrachter in die Gegenwart. Pare hatte 1993 begonnen, diese „verlorene Avantgarde“ wiederzuentdecken. Auf mehreren Reisen nach Moskau und nach St. Petersburg sowie durch die ehemaligen Sowjetrepubliken dokumentierte er, was von den Gebäuden noch erhalten ist. Seine Aufnahmen spüren deren Schönheit und den Erfindungsreichtum ihrer Erbauer auf und zeigen zugleich die Spuren des Verfalls. Damit zeichnen sie auch ein Bild der postsowjetischen Gesellschaft, die sich ihres außergewöhnlichen Erbes nicht bewusst ist.

Neu waren bei dieser Architektur nicht nur die Formensprache, sondern auch die Bauaufgaben: So entstanden mit dem Aufbau der neuen Gesellschaft Arbeiterclubs, Gewerkschaftshäuser, kollektive Wohnanlagen, Sanatorien für die Werktätigen, staatliche Großkaufhäuser, Partei- und Verwaltungsbauten, aber auch Kraftwerke und Industrieanlagen, um das Land zu modernisieren.

Der erste wichtige Bau nach der Revolution war der Schabolowka-Radioturm von Wladimir Schuchow. Er wurde von 1919–22 aus sechs übereinander montierten Hyperboloiden errichtet und war mit 150 Metern zu jener Zeit der höchste Turm in dieser Bauweise. Seine elegante, filigrane Struktur wurde Symbol der Überwindung des Alten und Schweren. Rodtschenkos bekannte Fotos des Radioturmes – heute Ikonen der Avantgardefotografie – betonen die Dynamik von unten nach oben. Pares Aufnahmen des Turmes zielen stärker auf die Details und rücken damit die Bauweise jener Zeit ins Blickfeld.

Die Leistungen russischer Ingenieure wie Schuchow beeinflussten mit ihren neuartigen technischen Konstruktionen die Entwicklung der Architektur, die den Funktionen entsprechend klare, geometrische Formen verwendete. Im Verlaufe der 1920er Jahre zeichneten sich dann zwei entscheidende architektonische Strömungen ab: der Rationalismus und der Konstruktivismus. Die Vertreter der ersten Strömung gründeten 1923 die Assoziation neuer Architekten (ASNOVA), ihr Hauptvertreter war Ladowski. Bei den Konstruktivisten spielte neben Alexander Wesnin Moisei Ginsburg eine große Rolle. 1925 vereinigten sich die konstruktivistischen Moskauer Architekten in der Gesellschaft moderner Architekten (OSA). Daneben gab es auch andere Strömungen und herausragende Einzelgänger wie Konstantin Melnikow. Trotz polemischer Auseinandersetzungen zwischen den Strömungen hatte sich bis Ende der 1920er Jahre ein modernes Bauen konsolidiert.

Im Zuge der Industrialisierung des Landes im Rahmen des ersten Fünfjahrplanes 1928–32 wurde die Entstehung neuer Städte vorangetrieben. Damit waren Fragen des Konzepts der Großstadt verbunden, für die unterschiedliche Lösungen vorgeschlagen wurden wie die „horizontalen Wolkenkratzer“ für Moskau von El Lissitzky oder die „Parabel“ als Grundschema der Stadtentwicklung von Ladowski. Etliche der von Pare fotografierten Gebäude wurden für kollektives Wohnen entwickelt. Der von Ginsburg und Ignati Milinis 1930 in Moskau errichtete Narkomfin-Wohnblock war eins der experimentellsten Projekte jener Ära. Er enthielt neben Wohnungen auf zwei Etagen auch eine gemeinschaftlich betriebene Kantine, eine Kindertagesstätte, eine Sporthalle und eine Waschküche. Weitere Bautypen zur Durchsetzung der kollektivistischen Lebensweise waren Großküchen, von denen drei im damaligen Leningrad von einer Gruppe um Josif Meerzon, Vertretern des Rationalismus, erbaut wurden. Arbeiterklubs und Kulturpaläste dienten vielfältigen Bildungsangeboten und symbolisierten im Stadtraum mit ihren dynamischen Formen die Rolle der neuen Klasse.

Als sich Mitte der 1930er Jahre das politische Klima in der Sowjetunion gravierend änderte und damit eine monumentale, sich am Klassizismus orientierende Bauweise protegiert wurde, endete dieses spannende Kapitel der Avantgarde und geriet in Vergessenheit.

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Leutkirch/Baden-Württemberg: „Bürgerbahnhof“ ist Denkmal des Monats April 2012

­Das Empfangsgebäude war im Jahr 1889 für die gesamte Streckenführung der Allgäu Bahn errichtet worden. Auch nach Aufgabe eines Bahnzweiges und der Verlegung der Bahnhofsfunktion in einen nahe gelegenen Kiosk, blieb das Bahnhofsgebäude nahezu unverändert erhalten. Allerdings wurde seit 50 Jahren nicht mehr in die Erhaltung des Gebäudes investiert. Schließlich hat der Gemeinderat der Stadt Leutkirch den Initiativkreis Bürgerbahnhof im Jahre 2010 veranlasst, ein Finanzierungskonzept für das Projekt zu entwickeln.

Dem kam die im Herbst 2010 gegründete Genossenschaft in geradezu vorbildlicher Weise nach. Als neue Eigentümerin des Bahnhofsgebäudes hat sich die Genossenschaft zum Ziel gesetzt, bei Ihren Mitgliedern einen Großteil der Kosten für die Instandsetzung einzuwerben. Zusammen mit der öffentlichen Förderung wird das Bahnhofsgebäude in Eigenregie mit Hilfe der Bürger derzeit saniert.

Für die Denkmalstiftung Baden-Württemberg war es angesichts dieses Einsatzes keine Frage, den Leutkircher Bürgern bei der Instandsetzung finanzielle Hilfe zu leisten. Dabei steht für die Stiftung die Förderung der denkmalrelevanten Gewerke, wie die Fenster- und Bodenrenovierung sowie die Renovierung der Schindelverkleidung des Gebäudes im Vordergrund.

Als neue Nutzung soll im Erdgeschoss eine Wirtshausbrauerei eröffnet werden, der erste Stock dient der Büronutzung. Im Dachgeschoss soll schließlich ein Informationszentrum „Nachhaltige Stadt" eingerichtet werden.

Am Wochenende 20.-22. April 2012 wird der neue Bürgerbahnhof Leutkirch feierlich eröffnet. Der Denkmalstiftung Baden-Württemberg ist dies nach eigenen Angaben allemal die Erklärung zum Denkmal des Monats April 2012 wert.

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Bochum: Deutsches Bergbau-Museum bald unter neuer Leitung

­Der Zweite Interationale TICCIH-Kongress fand 1975 hier statt; das „Zollern-Institut“ bildete sozusagen den Vorläufer des Westfälischen Industriemuseums in Dortmund-Bövinghausen und ermöglichte die Rettung der berühmten Jugendstil-Maschinenhalle. Der bisherige Direktor Rainer Slotta erarbeitete die ersten Überblicks- und Brancheninventare zu den Industriedenkmalen in Deutschland.

Zukünftiger Leiter wird Stefan Brüggerhoff (*1956), der seit 1990 als Leiter der Abteilung „Denkmalschutz und Materialkunde“ wesentliche Grundlagenforschung für den materiellen Erhalt von Industriedenkmalen initiierte. Die Zweite „BigStuff“-Konferenz im Jahre 2007 (wir berichteten) brachte Wissenschaftler, Kuratoren und Restauratoren in Bochum und Hattingen zusammen. Aktuelle Forschungen umfassen Konzepte und Evaluation für Dokumentation, Konservierung und Nutzung von großformatigen Technischen Denkmalen.

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