Archiv für den Tag: 12. November 2008

Hamm/Witten: 100 Jahre nach dem Grubenunglück auf der Zeche Radbod

Das Radbod-Denkmal in Bockum-Hövel

"Glück auf" heißt auch "Komm gut zurück nach oben!" Dieses Glück war nicht allen Bergleuten beschieden. Vom Grubenunglück zeugt das große Denkmal in Hamm (Ermelingstr./Fritz von Twickel Weg). Trauernde wenden sich dort einem hohen Kreuz zu, auf dem zu lesen ist: "Dem Andenken der auf Zeche Radbod am 12.11.1908 verunglückten Bergleute. Gewidmet von der Bergwerksgesellschaft Trier." Zum Andenken an den 100. Jahrestag der Katastrophe kürte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das Grabdenkmal zum Denkmal des Monats.

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"Dieses Ehrenmal für das Grubenunglück in Hamm ist eine von vielen Erinnerungen an die Gefahren, denen sich der Bergmann bis heute aussetzen muss. Es erinnert an die Toten. Das Denkmal veranschaulicht aber auch die Geschichte unseres Sozialstaates: Es war die Solidarität der Benachteiligten und es war ein handlungsfähiger Staat, die nach und nach zur heutigen Sicherheit am Arbeitsplatz und im Sozialen führten", erklärt LWL-Denkmalpfleger Dr. Hans Hanke die Bedeutung des Denkmals.

Vor 100 Jahren kam es auf der Zeche Radbod zu einer der folgenschwersten Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosionen im deutschen Steinkohlenbergbau. Das Unglück ereignete sich am 12. November 1908 um 4.20 Uhr. Von 400 angefahrenen Bergleuten konnten nur 35 tot und 36 verletzt geborgen werden. Unglücksursache war die Entzündung des unter Tage häufig austretenden Methangases an einer benzinbetriebenen Grubenlampe. Anschließend brachen im Bergwerk verheerende Brände aus. Um die zu löschen, wusste man sich nicht anders zu helfen, als die Schächte mit dem Wasser des Flusses Lippe vollständig zu fluten. Es wurde später diskutiert, ob die Flutung nicht zu früh kam und eher auf die Erhaltung der Betriebsanlagen als auf die Rettung der Bergleute ausgerichtet war.

Das Unglück löste eine politische Diskussion über Arbeiterschutzmaßnahmen und Aufsichtspflichten aus. Es wurde ein Arbeitsschutzgesetz gefordert. Zur Unterstützung dieser Forderung streikten Arbeiter in vielen Orten. Als eine Konsequenz des Unglücks wurden im Deutschen Reich alle offenen Grubenlampen abgeschafft und durch neuartige elektrische Sicherheitslampen ersetzt. Man begann damit auf der Zeche Radbod.

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Am Gedenkort in Hövel thematisiert die Skulptur einer jungen Witwe mit ihrer halbwüchsigen Tochter die Verzweiflung der Hinterbliebenen. Ihnen gegenüber trauert ein kniender Knappe um seine toten Kameraden, er stützt sich auf seine Hacke. Er hält eine Grubenlampe, die die Kundigen auf Segen und Fluch der Bergbautechnik deutlich hinweist.

Die Figuren aus Bronze knien oder sitzen auf zwei hohen Postamenten aus Dolomit-Gestein. Die Namen sind aktuell erneuert worden, denn die alten Schriften waren verwittert. Vor den Tafeln bieten steinerne Bänke Gelegenheit zur Besinnung. Das Denkmal schuf der Bildhauer Ernst Müller-Braunschweig (1860-1928). Er hatte durch Werke in Bremen, Magdeburg, Braunschweig und Worms auf sich aufmerksam gemacht.

Buchpräsentation und Ausstellung auf Zeche Nachtigall

Am Sonntag, 16. November 2008, wird im LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall das Buch mit den Aufzeichnungen des Wittener Bergmanns Moritz Wilhelm der Öffentlichkeit präsentiert; das LWL-Industriemuseum veröffentlicht damit eine einzigartige Quellen zur Reviergeschichte.

Moritz Wilhelm hatte als "Königlicher Einfahrer" die Aufgabe, die Schäden unter Tage zu sichten und zu dokumentieren. Seine Beobachtungen hielt er mit Worten und Skizzen fest. "Diese Dokumente sind einzigartige Quellen, die uns sehr nahe an das damalige Geschehen heranführen. Sie sind zugleich ein erschütterndes Zeugnis des Bergmannstodes", erklärte Ingrid Telsemeyer, wissenschaftliche Referentin im LWL-Industriemuseum, am Montag (10.11.) bei Vorstellung des Buches in Witten. Begleitend dazu zeigt das Museum in einer kleinen Ausstellung Exponate wie eine geborgene Wetterlampe, zeitgenössische Postkarten und die Original-Einfahrerurkunde von Moritz Wilhelm.

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Die Ereignisse des 12. November 1908 waren dramatisch: Nachdem verschiedene Versuche, in das brennende Grubengebäude vorzudringen, gescheitert waren, wurde am Nachmittag desselben Tages der Entschluss gefasst, die Grube zu fluten. Zu diesem Zeitpunkt noch Überlebende bergen zu können, schien hoffnungslos. Alle drei Sohlen der Zeche Radbod wurden unter Wasser gesetzt, um die Brände zu löschen. Die Leichen der verunglückten Bergleute blieben unter Tage.

Nachdem das Bergwerk ausgepumpt war, begannen im Februar 1909 die Bergungs- und Aufräumarbeiten. Um die Ursache des Unglücks aufzuklären, wurden dem Bergrevier Hamm drei "Königliche Einfahrer" zugeordnet. Sie beaufsichtigten und dokumentierten die Arbeiten bis zum Ende im Dezember 1910. Ihre Berichte waren Grundlage der Ermittlungen der Bergbehörde zu Ursache und Verlauf der Katastrophe und dienten der Identifizierung der Toten.

Zwei der Berichtshefte, die den Zeitraum von September 1909 bis Dezember 1910 umfassen, blieben in Privatbesitz erhalten. "Die Aufzeichnungen des Einfahrers Moritz Wilhelm gestatten heutigen Lesern einen unverklärten Blick in ein durch Schlagwetterexplosion verwüstetes Grubengebäude", so Ingrid Telsemeyer. Detailgenau, mit fachlich geschultem Blick beschreibt er Explosions- und Brandspuren und dokumentiert mit Worten und Skizzen, in welcher Arbeitssituation die Bergleute vom Tod heimgesucht und in welchem Zustand sie aufgefunden wurden. Wichtige Hinweise für die Identifizierung der Leichen lieferten dabei ihre Kleidung und weitere Gegenstände wie Lampen und Werkzeuge.

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Ebenso bedeutsam ist die zweite von der Familie Wilhelm zur Verfügung gestellte Quelle: Die persönlichen Erinnerungen von Moritz Wilhelm an seinen Radbod-Einsatz, die er um 1930 für seine Familie niederschrieb. Bemerkenswert darin: Moritz Wilhelm hielt in seiner Ursachenanalyse Sprengarbeiten für den Auslöser der Explosion, während im offiziellen Bericht der Bergbehörde die Entzündung von Grubengasen durch eine defekte Wetterlampe für wahrscheinlich gehalten wird.

"Beide Quellen sind nicht nur für die Fachwelt eine außergewöhnliche Entdeckung. Die Texte und Zeichnungen zeigen die Arbeitswelt Untertage nach einer großen Katastrophe und damit einen bisher auf diese Weise nicht dargestellten Aspekt der Bergbau- und Sozialgeschichte des Ruhrgebiets", erklärt Mitherausgeber Dr. Olaf Schmidt-Rutsch vom LWL-Industriemuseum.

Das Buch dokumentiert beide Quellen und liefert die Hintergrundinformationen. Zahlreiche zeitgenössische Abbildungen ergänzen diese Darstellungen. Die beiliegende CD erschließt das vollständig wiedergegebene Dokument interaktiv und macht es für weitere Forschungen verfügbar. Durch das digitale Glossar wird die Quelle auch für Bergbau-Laien gut lesbar, Übersichtskarten des Bergwerks und eine neu recherchierte Opferliste aller 350 Opfer sind außerdem enthalten.

Olaf Schmidt-Rutsch / Ingrid Telsemeyer (Hg.):
Die Radbod-Katastrophe. Berichte und Zeichnungen des Einfahrers Moritz Wilhelm (LWL-Industriemuseum, Quellen und Studien 17)
Klartext-Verlag, Essen 2008, 13,90 ¤

Ausstellung:
Grubenunglück Radbod 1908: Die Aufzeichnungen des Einfahrers Moritz Wilhelm
16.11.2008 bis 30.6.2009
LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall
Nachtigallstraße 35, 58452 Witten
Geöffnet Di – So 10 – 18 Uhr (geschlossen vom 22.12.08 bis 1.1.09)

Buchpräsentation und Ausstellungseröffnung:
So, 16. November, 11 Uhr
LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall (s.o.)
Musikalische Gestaltung: Ensemble "Grubenlicht & Wetter" DuoSago & Liedermacher Frank Baier mit historischem Liedgut aus dem Ruhrgebiet

Radbod in Wikipedia

(Text- und Bildquellen: LWL)

Neunkirchen-Seelscheid: Wahnbachtalsperre gibt vorübergehend historische Brücken frei

Nach Medienberichten begann Anfang November nach Abschluß der Sanierungsarbeiten die erneute Flutung des Staussees. Der Wasserstand war vorübergehend auf 20 m (sonst 50 m) abgesenkt worden. Dadurch wurden nicht nur die Grundmauern der abgebrochenen Gehöfte und Ausflugsgaststätten sichtbar, sondern auch die Trasse der Mitte der 1920er Jahre angelegten Wahnbachtalstraße, die Siegburg und Much verband. Bedeutendstes – und unter Wasser hervorragend erhaltenes – Bauwerk ist die Derenbachtalbrücke, die über ein Seitental führt. Die Eisenbeton-Bogenbrücke besitzt eine auf einzelnen Stützen aufgeständerte Fahrbahn. Die übrigen Brücken sind einfache Steinbrücken.

Während der Sanierungsarbeiten stehen zwei Aussichtspunkte beiderseits der Staumauer zur Verfügung, die auch ein vielseitiges Informationsangebot bereithalten. Vom südöstlichen Aussichtspunkt aus ist die historische Brücke gut sichtbar. Das eigentliche Staubecken darf auch während der Bauarbeiten nicht betreten werden.

Unterhalb der Staumauer – wo sich ebenfalls Brückenreste finden – dient die historische Strassentrasse u.a. als Parkplatz.

Links

Wikipedia-Stichwort „Wahnbachtalsperre“ mit zahlreichen aktuellen Fotos

Website des Wahnbachtalsperrenverbandes

Zur Geschichte des Wahnbachtals

Bildergalerie der Sanierungsarbeiten